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Umweltschützer richten sich mit verschiedenen Aktionen gegen den Weiterbau der Autobahn 49. Ein Gespräch mit Jörg Bergstedt

Am Wochenende demonstrierten mehr als 1.000 Menschen für den Erhalt des Dannenröder Walds in Hessen. Dort sollen Bäume für den Weiterbau der A49 weichen. Am Montag gab es zudem Aktionen an nahegelegenen Autobahnbrücken, wo Aktivistinnen und Aktivisten Transparente anbrachten. Lässt sich mit solchen Mitteln die Rodung verhindern?

Allein die Waldbesetzung im »Danni« hat viel bewirkt. Die Bevölkerung vor Ort, von der ein Großteil zuvor nicht politisch aktiv war, unterstützt den Widerstand. Mit solchen Aktionen setzen wir eine Debatte in Gang. Wir brauchen dringend eine wirkliche Verkehrswende. Unsere Kritik richtet sich dabei nicht allein auf die Nutzung von Autos, sondern auch auf die von Flugzeugen. Deshalb wurden auch an einer Autobahnbrücke nahe dem Frankfurter Flughafen Transparente aufgehängt.

Gab es dabei Ärger mit der Polizei?

Die Polizei ist willige Vollstreckerin, wenn es darum geht, die Verkehrswende zu verhindern. Das ist ihr Job. Es gibt Rambos, die meinen, losprügeln zu müssen. Meiner persönlichen Erfahrung nach werden diese im »Danni« mitunter aus ihren eigenen Reihen zurückgehalten. So war es auch bei der Aktion an der Autobahn bei Zeppelinheim, bei der ich am Montag war. Offenbar haben einige Beamte aus der Auseinandersetzung im Hambacher Forst gelernt. Vielleicht hat es aber auch mit der Forderung der Gewerkschaft der Polizei zu tun, anlässlich ansteigender Coronafallzahlen den Einsatz im Dannenröder Wald zu stoppen. Dieser Initiative schließen wir uns gerne an: Homeoffice für die Polizei!

Kürzlich gab es Vorwürfe gegen Aktivisten, nachdem es im Zuge einer Aktion an einer Autobahnbrücke zu einem Verkehrsunfall mit einem Verletzten gekommen war. Weshalb bleiben Sie bei dieser Protestform?

Wir wurden für verantwortlich erklärt, obgleich wir den Stau nicht verursacht haben. Wir hatten nur Transparente angebracht, woraufhin die Polizei die Autobahn sperrte. Der Verletzte wurde in der Folge ins­trumentalisiert. Laut Statistischem Bundesamt gab es im Jahr 2019 im Schnitt jeden Tag neun Tote und 1.053 Verletzte bei Verkehrsunfällen, die hierzulande aber fast niemanden interessierten.

In vollen U-Bahnen oder Zügen sitzt es sich in Coronazeiten weniger angenehm als im eigenen Pkw. Was entgegnen Sie denen, die das aktuelle Abstandsgebot als Argument für den motorisierten Individualverkehr verstehen?

Corona wird in der Debatte instrumentalisiert, im Sinne einer autofreundlichen Propaganda. Angesichts der Zahlen zu Verletzten und Toten im Straßenverkehr hätten längst Städte für den Autoverkehr gesperrt werden müssen. Wir fordern, öffentliche Verkehrsmittel zum Nulltarif anzubieten und Autobahnen abzureißen.

Glauben Sie, dafür eine politische Mehrheit gewinnen zu können?

Wir setzen vielmehr darauf, mit Aufmerksamkeit erregenden Aktionen eine allgemeine Debatte zu initiieren. Politiker sind oft Opportunisten und hängen ihre Fahne in den Wind. Wir müssen bestimmen, woher der Wind weht.

Hessens Umweltminister, der Grünen-Politiker Tarek Al-Wazir, erklärt immer wieder, an der Vollendung der Autobahn 49 und damit auch an der Rodung der Bäume nichts ändern zu können. Als Minister könne er sich nicht aussuchen, was er umsetzt und was nicht. Was meinen Sie dazu?

Natürlich sind die Rodungen im Dannenröder Wald noch zu stoppen, zum Beispiel über das Umweltrecht. Der Weiterbau könnte sich negativ auf die Qualität des Grundwassers auswirken, wie eine am Samstag von Greenpeace veröffentlichte Analyse belegt.

Die Bundespartei der Grünen ist übrigens gegen den Weiterbau der A 49. Jede Wette: Wären sie an der Macht, würden sie ebenso sagen, dagegen zu sein, aber leider nichts tun zu können – wie ihre Parteifreunde in Hessen, die dort in Koalition mit der CDU regieren. Da hilft nur öffentlicher Druck.

Das Interview führte Gitta Düperthal (Junge Welt, 28.10.20)