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Polizisten räumen weiterhin die Waldbesetzer im Dannenröder Forst und riskieren dabei schwere Unfälle. Ein Gespräch mit der Aktivistin »Kuka«
Um den Bau der Autobahn 49 in Hessen voranzutreiben, räumt die Polizei im Dannenröder Forst Baumhäuser und andere Barrikaden. Wie geht es den Waldbesetzern und Baumbewohnern?
Angesichts der ständigen Polizeipräsenz und dem Verschwinden des Waldes, das wir mitansehen müssen, sind wir angespannt und wütend. Viele fühlen sich ohnmächtig, weil die Polizei die Definitionsmacht über die Geschehnisse im Wald hat. Das sieht man bei Unfällen wie den beiden Abstürzen Anfang der Woche (siehe jW vom Dienstag). In der Folge reißen sich Polizisten kaum am Riemen, was Gefährdungslagen angeht. Sie räumen und roden täglich, selbst am Wochenende und am frühen Abend, wenn es dunkel wird. Das ist extrem gefährlich. Sie sehen kaum, was sie tun. Waldbesetzerinnen und -besetzer kommen nicht mehr zur Ruhe. Während wir die Coronaregeln beachten, rückt die Polizei mit Hundertschaften an.
Im Zusammenhang mit den Unfällen war wiederholt von sogenannten Tripods die Rede. Was hat es damit auf sich?
Tripods bauen wir aus drei Holzstämmen, die wir im Wald finden. Mit den hochbeinigen Gestellen, auf die Personen klettern, kann man Wege blockieren. Um einen Menschen von dort herunterzuholen, braucht es eine Hebebühne. Als die Polizei mit dem Räumen anfing, waren viele aufgebracht und nutzten diese Energie, um nach der Zerstörung nachts alles wieder aufzubauen. Unser Ziel ist es, die Räumung so lange wie möglich hinauszuzögern. Dieser Widerstand ist für uns Marathon und Sprint zugleich. Die Polizei steigert das Tempo ständig, die Einsätze begannen vor Wochen im Herrenwald und im Maulbacher Wald. Im »Danni« haben wir viele Strukturen. Die Räumung wird dauern.
Wie häufig werden die Aktiven vor Ort durch die Einsatzkräfte gefährdet?
Ständig, was aber kaum dokumentiert ist. Die Presse wird von der Polizei mit Absperrungen auf Plätze stets weit entfernt vom Ort des Geschehens verwiesen, so dass sie Details nicht sehen kann.
Während der Räumung singen manche in ihren Baumhäusern, andere kochen Kaffee und bitten die Polizisten hochzukommen und ihn zu trinken, wenn sie denn die Uniform ablegen. Wie erging es Ihnen als Kletteraktivistin in dieser Situation?
Solche Gefahrensituationen lassen sich besser bewältigen, indem man lustige Sachen tut oder ironische Gespräche mit der Polizei führt. Manche brüllen auch ihre Wut heraus. Das wirkt durchaus auf manche Polizisten. Aber die meisten orientieren sich eher am Handeln der anderen Polizisten. Manchmal sind aggressive Typen dabei, dann wird schikaniert. Auch in Polizeiwachen ist es unterschiedlich. Einige bieten veganes Essen an, andere demütigen.
Als ich geräumt wurde, bekam ich mit, wie ein Polizist provozierend eine Säge an einem Seil ansetzte, das ein Gestell sicherte, auf dem ein Aktivist saß. Wir schrien alle panisch: »Nein, nein«. Neben solchen Erlebnissen wurden bei mir beim Wegtragen Schmerzgriffe angewandt, was nahezu Standard ist. Es ist sehr belastend, sehen zu müssen, wie das Zuhause verschwindet, in dem wir ein Jahr lang frei miteinander gelebt haben. Uns geht es nicht nur darum, den Autobahnbau zu verhindern, sondern ebenso um die Gemeinschaft.
Auch Wasserwerfer wurden im Wald eingesetzt. Haben Sie davon etwas mitbekommen?
Ich habe nur einen davon erlebt, der Wald ist ja groß. Da wollte die Polizei Baseball spielende Aktivisten von einem Ort vertreiben, an dem sie ihr eigenes Lager aufgebaut hatte. Die Einsatzkräfte nutzen die vielen Mittel, die ihnen zur Durchsetzung ihrer Interessen zur Verfügung stehen.
Wie lange können Sie Ihren Widerstand angesichts des ungleichen Kräfteverhältnisses gegenüber der Staatsmacht durchhalten?
Viele werden Aktionen machen, bis das letzte Baumhaus geräumt ist. Einige werden traumatisiert sein und eine Pause brauchen. Die Polizei will dafür sorgen, dass pro Tag 0,5 Hektar von den 27 Hektar Bäumen gerodet werden. Man kann sich ausrechnen, wann sie fertig sein werden. Wir mobilisieren weiter. Immer mehr Unterstützer kommen, die uns vorab fragen, wie sie sicher in den Wald kommen.
Das Interview führte Gitta Düperthal (aus Junge Welt vom 21.11.20)