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Hämmern im Walde

Widerstand im Dannenröder Forst weiter ungebrochen. Aktivisten bauen Barrikaden, Polizei setzt Wasserwerfer ein

Im Dannenröder Wald in Mittelhessen wird bald auch der letzte Baum für den Ausbau der Autobahn 49 gerodet sein. Seit nunmehr 40 Jahren kämpfen Anwohner bisher erfolglos gegen den Weiterbau der Strecke, die einige Ortschaften entlasten soll, dafür aber andere stärker mit Autoverkehr belasten wird. Dem Widerstand schließen sich inzwischen Menschen aller Altersgruppen und Gesellschaftsschichten an. So blockierte die Aktionsgruppe »Ü 60 statt A 49« am Montag (30.11.) die Rodungsarbeiten.

Es geht den Waldschützern darum, die Räumungen der letzten verbliebenen Baumhäuser zumindest zu verlangsamen. »Wir können es vielleicht nicht mehr aufhalten, aber wir können diese Bilder in die Welt raustragen und zeigen, was hier abgeht«, rief ein Aktivist am Wochenende den Einsatzkräften zu, bevor er zügig wieder auf einen Baum kletterte. Viele Besetzer wurden bereits von der Polizei in Gewahrsam genommen, später wieder freigelassen. »Auch wenn der letzte Baum gerodet ist – unser Protest wird weitergehen!« sagte die 24jährige Merle gegenüber junge Welt.

Nach wie vor reisen Menschen aus ganz Deutschland in Bussen an, um sich dem Widerstand anzuschließen. Am Sonntag morgen (29.11.) trafen 150 Personen der Gruppe »Aktion Schlagloch« im Wald ein. Um die Mittagszeit startete der sonntägliche Waldspaziergang von rund 300 Menschen. Sie alle trafen schließlich an der Rodungskante ein, wo sie bereits von mehreren Hundertschaften der Polizei und zwei Wasserwerfern erwartet wurden. Zunächst blieb es friedlich. Mehrmals lösten sich dann kleinere Polizistengruppen und positionierten sich schubsend inmitten der Menschenmenge. Im weiteren Verlauf wurde die Stimmung auf beiden Seiten gereizter. Einzelne riefen: »Wollt ihr wieder provozieren? Es tut doch keiner was!« Dann wieder im Chor: »Wir sind friedlich! Was seid ihr?«

Die Hundertschaften zogen sich langsam in ihren mit NATO-Draht eingezäunten Stützpunkt im Wald zurück. Als davor einzelne aus den gerodeten Baumstücken Barrikaden auftürmten, kamen die Wasserwerfer zum Einsatz. Erst am späten Sonntag nachmittag beruhigte sich die Lage wieder. Erneut begannen Menschen, Barrikaden vor dem Stützpunkt zu bauen. Die Wasserkanonen blieben dieses Mal im Stand-by-Modus. In den Abendstunden bis weit in die Nacht konnte man es im Wald hämmern hören. Es entstanden wieder neue Barrikaden und Plattformen.

Im Zuge des Einsatzes sind bislang fünf Baumbesetzerinnen und -besetzer durch das Handeln von Polizisten abgestürzt. Die im Wald lebenden Gegner des Autobahnausbaus verbinden unter anderem Seile von Baum zu Baum mit verschiedenen Konstruktionen wie Schaukeln oder Tripods. Das soll die Polizei zwingen, vorsichtig vorzugehen, und so den Räumungsprozess verlangsamen.

Bundesweit gibt es immer wieder Solidaritätsaktionen für den Erhalt des »Dannis«: ob Soli-Baumhäuser in unterschiedlichen Städten, Demos oder Banneraktionen. Am Freitag (27.11.) waren im Rahmen des ausgerufenen »Block-Friday« zeitgleich bundesweit acht Autobahnen durch Abseilaktionen blockiert worden. Im Dannenröder Forst selbst nimmt die Zerstörung indessen immer mehr Fahrt auf. Es scheint, als wollte die Polizei mit Blick auf die Weihnachtszeit schnell fertig werden. An den abgesperrten Bereichen standen am Wochenende Menschen aller Altersschichten. »Es ist unfassbar was hier geschieht!« sagte ein 49jähriger, der in der Nähe aufgewachsen ist, gegenüber jW. »Die schwarz-grüne hessische Landesregierung wäre klageberechtigt, tut aber nichts.« Nun werde hier »eigentlich illegal eine Autobahn mit Brachialgewalt« durchgesetzt, ohne Rücksicht auf Verluste. »In Brasilien oder sonst wo würde mich das nicht wundern«, sagte der Mann.

Der Dannenröder Wald gilt als besonders schützenswert, entspricht den FFH-Richtlinien (Flora-Fauna-Habitat) und beherbergt streng geschützte Tierarten, wie den Feuersalamander und die Bechsteinfledermaus. Der »Danni« ist zudem ein Trinkwasserschutzgebiet, das die Versorgung von 500.000 Menschen gewährleistet. 2019 haben Umweltaktivisten den Wald besetzt und leben seitdem in Baumhäusern, Türmen und Plattformen, die sie auf der geplanten Autobahntrasse gebaut haben. Am 1. Oktober 2020 begann dann die Rodung.

(aus: Junge Welt vom 1.12.2020, Autorin: Antonia Greco)