Hier informieren wir regelmäßig über Aktivitäten der Kreise und des Bezirks.
Baumbesetzer gegen Polizei und die Grünen: Was bleibt vom Widerstand im Dannenröder Wald? Ein Gespräch mit Ronja Weil
Der Widerstand im Dannenröder Wald gegen die Rodung zugunsten eines Autobahnbaus hat bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Wie wollen Sie Klimaschutz und Kapitalismuskritik weiter hochhalten, nachdem der letzte Baum dort gefällt worden ist?
Im Dannenröder Forst ging es immer um mehr als nur den Erhalt des Waldbestandes. Auch wenn es fatal ist, dass letzterer unter Mithilfe der Polizei zerstört wurde, ist unser Kampf damit nicht am Ende. Die Frage bleibt, welche politischen Antworten wir auf die Klimakrise geben. Wir wollen die Verkehrswende – und darum den Autobahnbau verhindern. Künftige Mobilität muss nachhaltig organisiert werden.
Mit der polizeilichen Räumung der Baumhausdörfer ist ein symbolträchtiger Ort des Widerstands zerstört. Wie soll die dortige Bewegung diesen Verlust kompensieren?
Unsere Bewegung geht gestärkt aus den gemeinsamen Kämpfen im und rund um den »Danni« hervor. Utopien und Freiräume, die wir gebildet haben, fallen nicht mit den Bäumen, sondern bleiben bestehen. Diese Erfahrungen und Kenntnisse werden einfließen in die andere Klimakämpfe.
Gerade mit dem Kälteeinbruch zeigte sich, wie ungebrochen die Solidarität ist. Eltern von Aktivistinnen und Aktivisten hatten eine Geschenkaktion gestartet, es kamen viele Päckchen mit Decken, Kleidung und Verpflegung an. Neben der Mahnwache im »Danni« ist ein vielseitiges Camp entstanden, das bis März 2021 angemeldet ist; mit Platz für Zelte und Wohnwagen, um Menschen zu beherbergen. Im angrenzenden Dorf gibt es einen Sportplatz mit einer Bühne. Somit bestehen neue Strukturen für Widerstand.
Betrachten Sie es nicht als Niederlage, dass die Autobahn 49 in Mittelhessen nun doch weitergebaut wird?
Nein. Die Klimagerechtigkeitsbewegung hat viel Sympathie erfahren. »Ende Gelände« hat breite Bündnisse geschmiedet, zum Beispiel mit den Gruppen »Sand im Getriebe«, die gegen die Autoindustrie protestiert, oder »Am Boden bleiben«, die dem zunehmenden Flugverkehr den Kampf ansagt.
Müssten Sie nun nicht grundsätzlich über Eigentumsverhältnisse diskutieren, um die herrschende Profitlogik zu überwinden? Wie stehen Sie zu Instrumenten wie der Verstaatlichung von Konzernen?
So konkret debattieren wir das noch nicht. Aber ja, wir geraten durch die kapitalistische Logik in eine ökologisch ausweglose Lage. Im Wald haben wir Strukturen erprobt, die anders funktionieren, und erfahren, wie Gesellschaft anders funktionieren kann.
Im Windschatten der jüngsten Klimabewegung konnte auch die Partei Bündnis 90/Die Grünen profitieren. Wie sieht es jetzt aus Ihrer Sicht aus?
Wir finden es traurig, dass die CDU-Grünen-Landesregierung die Zerstörung des Waldes mit aller Gewalt durchgezogen hat. Die Grünen geben sich als ökologische Partei, haben aber offenbar keinen Plan, wie dies in Realität umzusetzen ist. Statt dessen lassen sie Klimaaktivistinnen und -aktivisten mit brutaler Polizeigewalt räumen. Sie sind nicht besser als andere Parteien und brechen ihre Versprechen.
Einige werten es als Zugeständnis an »Ende Gelände« und Co., dass auf dem Grünen-Bundesparteitag im November das Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel beschlossen wurde.
Lob für dieses Ziel können die Grünen nur erwarten, wenn sie begonnen haben, dies in die Praxis umzusetzen. Zur Zeit machen sie das Gegenteil: Sie zerstören die praktischen Ansätze, die es bereits gibt.
Was würde es für Sie bedeuten, wenn die Grünen 2021 Teil der Bundesregierung werden?
Wir werden sie wie jede andere Partei zur Verantwortung ziehen, die kein Interesse zeigt, die Klimakrise einzudämmen – egal, ob sie an der Regierung ist oder nicht. Wir werden weiterhin an die Orte der Naturzerstörung gehen und dieser Politik unseren Widerstand entgegensetzen.
(aus: Junge Welt, 9.12.20. Das Interview führte Gitta Düperthal)