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Status wiedererrungen

VVN-BdA als größte und älteste Antifaorganisation wieder vollständig gemeinnützig. Aberkennung rückwirkend für 2016–2018 aufgehoben

Das Kämpfen und die Solidarität haben sich am Ende gelohnt. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) ist nun rückwirkend wieder vollständig vom Staat als gemeinnützige Organisation anerkannt. Damit bleiben dem Verband Steuernachzahlungen erspart, welche die wirtschaftliche Grundlage der Organisation hätten gefährden können. Ihrem Einspruch gegen die Aberkennung dieses Status für die Jahre 2016 bis 2018 habe das Finanzamt für Körperschaften I des Landes Berlin stattgegeben, wie die VVN-BdA am Mittwoch mitteilte. Mit der Entscheidung sind demnach die Steuerbescheide für die Jahre 2016 bis 2017 aufgehoben worden.

»Wir sind erleichtert und froh«, heißt es in der Mitteilung, »dass das Finanzamt und die Berliner Finanzverwaltung nach eineinhalbjährigem Verfahren die Wertung des bayerischen Inlandsgeheimdienstes, wir seien ›extremistisch‹, als widerlegt betrachten.« Dazu habe man mehrere Stellungnahmen und »wesentliche Dokumente zu den Grundlagen unserer Arbeit« vorgelegt. Die Unterlagen sollten belegen, dass die VVN-BdA sich als »partei- und spektrenübergreifende Organisation« begreife, in der es unterschiedliche Zugänge zum Antifaschismus gebe.

Ein solcher Nachweis über die eigene Verfassungstreue ist per Gesetz vorgeschrieben. Und so bekräftigte die VVN-BdA auch ihre Forderung nach einer Neuregelung des Gemeinnützigkeitsrechts – inklusive Streichung des Paragraphen 51, Absatz 3, Satz 2. Denn dort heißt es: »Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen«, dass diese sich gegen die sogenannte freiheitlich-demokratische Grundordnung richten. Die eigene Verfassungstreue zu beweisen sei »nahezu unmöglich« sowie »eine Umkehrung des Rechtsstaatsprinzips«, erklärte Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung«, am Mittwoch. Das habe ihm zufolge das VVN-Verfahren gezeigt. In diesem Bundesgesetz sei zudem die Deutungshoheit des Inlandsgeheimdienstes in Sachen Gemeinnützigkeit verankert, wie Rechtsanwalt Benedikt Hopmann gegenüber dieser Zeitung (siehe jW vom 17.11.2020) erklärt hatte.

Der Mitteilung vom Mittwoch zufolge habe das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz behauptet, die VVN-BdA betrachte »alle nichtmarxistischen Systeme – also auch die parlamentarische Demokratie – als potentiell faschistisch, zumindest aber als eine Vorstufe zum Faschismus«, die man bekämpfen wolle. Das hatten die Vorsitzenden Cornelia Kerth und Axel Holz sowie die Ehrenpräsidentin und Holocaustüberlebende Esther Bejarano in einer jüngst abgegebenen eidesstattlichen Erklärung von sich gewiesen. Darin heißt es unter anderem, die VVN-BdA habe »die parlamentarische Demokratie und schlechthin den Gehalt unserer Nachkriegsverfassungen« auf Bundes- und Länderebene als »eigenständigen Selbstwert« verteidigt und das als aus dem antifaschistischen Kampf stammende grundlegende Verpflichtung behandelt.

Bis zuletzt drohte dem 1947 von Holocaustüberlebenden und antifaschistischen Widerstandskämpfern gegründeten Zusammenschluss eine Steuernachzahlung in größerer, fünfstelliger Höhe. Den ursprünglichen Entzug der Gemeinnützigkeit hatte die Berliner Behörde damit begründet, dass die VVN-BdA im Bericht des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz als »bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus« genannt worden war. Die Landesvereinigungen in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz waren – neben vier Kreisvereinigungen in NRW – ebenfalls von der Aberkennung betroffen.

(aus: Junge Welt, 29.4.21. Autor: Marc Bebenroth)