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Vor 40 Jahren wurde das Hüttendorf der Gegner der Frankfurter Startbahn West geräumt. Gespräch mit Christiane Böhm

Am 2. November jährte sich zum 40. Mal die Räumung eines Hüttendorfs, das Gegner des Flughafenausbaus in Frankfurt am Main errichtet hatten. Zehntausende waren damals gegen die sogenannte Startbahn West aktiv. Was ist davon geblieben?

Als der Flörsheimer Wald für den Flughafenausbau gefällt wurde, waren große Teile der Bevölkerung in den Widerstand involviert. Als Reaktion auf die Räumung des Hüttendorfs am 2. November 1981 besetzten Schülerinnen und Schüler den Bahnhof Groß-Gerau-Dornberg. An einem Hungerstreik beteiligten sich Menschen, die ansonsten der CDU nahestanden. Es war der Beginn einer großen Umweltbewegung. Der Rhein-Main-Flughafen breitete sich wie ein Krake aus. Doch nicht in dem Ausmaß, wie die Fraport AG es beabsichtigt hatte: Das Abholzen der Bäume verzögerte sich durch ständig neue Hürden und Beschwerden.

Wo engagieren sich heute die, die damals Widerstand leisteten?

Viele der Menschen, die damals ihre Ausbildung oder ein Studium absolvierten und protestierten, sind heute noch politisch aktiv. Angelika Lange-Etzel war am 11. Oktober 1981 dabei, als die Polizei brutal auf 10.000 Demonstrierende einknüppelte. Heute ist sie in der Anti-AKW-Bewegung und rät jungen Leuten, nicht darauf reinzufallen, wenn die Atomindustrie sich »grün zu waschen« versucht. Der Wiesbadener Arzt Michael Wilk engagierte sich im Bündnis der Bürgerinitiativen gegen den Flughafenausbau. Er organisiert noch immer häufig Demos. Aktiv sind auch der heute über 80jährige Rudi Hechler, Exstadtverordneter der DKP in Mörfelden-Walldorf sowie der damalige Lehrer Knut Dörfel, der mit Kollegen abseits vom Hüttendorf eine Sanitätsstation organisierte.

Sie selbst haben Nachfolgebewegungen gegen den Flughafenausbau im Kelsterbacher und im Treburer Wald begleitet. Weshalb gelang es nicht, eine ähnliche Resonanz in der Öffentlichkeit zu erreichen wie damals?

Die tödlichen Schüsse auf zwei Polizeibeamten im Flörsheimer Wald 1987 lähmten die Bewegung. Als 2008 die Nordwestlandebahn gebaut werden sollte, stemmten sich Waldbesetzerinnen und -besetzer erneut gegen die Pläne. Mit der Massenbewegung von früher war das aber nicht vergleichbar. 2009 räumte die Polizei Baumhäuser im Kelsterbacher Wald. Wieder wurde ein Naherholungsraum vernichtet. Nachdem Kanzlerin Angela Merkel 2011 die Landebahn eröffnet hatte, betraf der davon ausgehende Fluglärm nicht nur Hessen, sondern auch Rheinland-Pfalz. Studien belegten, welche Gesundheitsgefährdung er darstellt. Der Schutzstatus des Treburer Walds, als Bannwald und damit als wichtig für Klima und Luftreinhaltung klassifiziert, wurde für den Flughafenausbau aufgehoben. Waldbesetzung und Montagsdemos folgten.

Ist der Widerstand heute zu brav, nach dem Motto: Hauptsache, über meinen Vorgarten wird nicht geflogen?

Nein, die Bewegung gegen die Verlärmung hat sich vergrößert. Zugleich propagierte Fraport den Airport aber als »Jobmaschine«. Die Existenz vieler Familien ist davon abhängig. Menschen wollten sich nicht der eigenen Einkommensquelle entledigen, indem sie sich gegen Umweltgefahren engagieren. Dieses Argument macht uns von der Linken und den Flughafenbürgerinitiativen wütend. Meist handelt es sich um sehr prekäre Jobs bei Subunternehmen, wo Beschäftigte mit Hartz IV aufstocken müssen.

Wie wird es weitergehen?

»Fridays for Future« und andere junge Bewegungen entdecken das Thema. Die Coronakrise verzögerte zwar den weiteren Ausbau, Fraport hält aber am Konzept fest, obwohl die behauptete Nachfrage und Zunahme des Flugverkehrsaufkommens nie erfolgte. Man setzt auf Billigflieger. Dagegen muss gemeinsamer Widerstand von Beschäftigten, Umweltaktivisten und den umliegenden Kommunen des Airports erfolgen, auch von Frankfurt und Mainz. Wir fordern die neue Bundesregierung auf, Flüge nicht mehr zu subventionieren und statt dessen die Bahn zu fördern.

(aus: Junge Welt, 5.11.21. Das Interview führte Gitta Düperthal)