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Aufatmen in Hanau: In der hessischen Stadt darf kein weiteres Zwischenlager für Atommüll errichtet werden. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht am Dienstag in Leipzig und wies damit die Revision der Entsorgungsfirma Orano NCS zurück. Den Bau solcher Anlagen in Gewerbegebieten sah das Gericht als unzulässig an.
Das Gefahrenpotential überschreite den in einem Gewerbegebiet »zulässigen Störgrad der nicht erheblichen Belästigung«, entschied das Gericht und bestätigte damit ein vorheriges Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes. Der Streit zog sich über mehrere Jahre hin; Orano NCS begehrte die Genehmigung, eine Halle im Technologiepark »Wolfgang« in ein Zwischenlager umzuwandeln. Zwei weitere Zwischenlager für schwach strahlende radioaktive Abfälle betreibt das Unternehmen bereits im Technologiepark.
Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) begrüßte die Entscheidung. »Das ist ein großartiger Tag für die zukünftige Entwicklung unserer Stadt«, heißt es in einer Erklärung. »Unser Ziel war und ist es, unsere Bedeutung als Hightech-Standort im Rhein-Main-Gebiet auszubauen«. Dass die Gefahr für diese Entwicklung nun gebannt sei, sei ein Erfolg.
Die Stadt hatte sich gegen ein weiteres Zwischenlager gewehrt, weil sie befürchtete, zur Anlaufstelle für Atommülltransporte aus der gesamten Bundesrepublik zu werden. »Uns geht es dabei nicht um einfaches Sankt-Florians-Denken, sondern darum, dass wir nicht allein die Lösung für ein bundesweites Problem übernehmen können«, erklärte Kaminsky. Immerhin bestehe in dem Technologiepark schon ein Zwischenlager mit den schwach radioaktiven Abfällen aus dem Abriss der alten Atomanlagen auf dem Gelände. »Wir tragen also unseren Teil der Verantwortung für den Atommüll, der angefallen ist.« Doch man sei nicht bereit, weitere Gewerbeflächen zu opfern, »um dort den Atommüll aus der gesamten Bundesrepublik (…) unterzubringen«.
Nuklearanlagen haben in Hanau Geschichte. In den 1980er Jahren wurde der Stadtteil Wolfgang als Standort umstrittener Anlagen bekannt. Bis in die 1990er stand dort das »Hanauer Atomdorf«, das die größte Ansammlung von Nuklearfirmen in Europa war. 1991 untersagte der damalige hessische Umweltminister, Joseph Fischer (Grüne), die Verarbeitung von Plutonium an dem Standort. Und die Tochtergesellschaften des Siemenskonzerns, Alkem und RBU, verlegten 1995 die Produktion von Kernbrennstäben an andere Standorte.
Mit dem Gerichtsurteil endet ein Rechtsstreit, der sich mehr als ein Jahrzehnt hinzog. Im Jahr 2009 begehrte Orano NCS – damals noch unter dem Namen »Daher Nuclear Technologies« – ein weiteres Zwischenlager im ehemaligen »Atomdorf«. Die Stadt verweigerte allerdings die Genehmigung und verwies auf Planungsmängel. Über alle rechtlichen Instanzen klagte das Unternehmen; aber auch damals blieb es vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolglos.
Im April 2011 beantragte es die Baugenehmigung für das Zwischenlager erneut, diesmal aber mit überarbeiteten Unterlagen. 2013 wies die Stadt den Antrag zurück und begründete die Entscheidung damit, dass der Bebauungsplan ein nukleares Zwischenlager nicht zulasse. Vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main bekam das Unternehmen dann im Januar 2018 Recht. In der Berufung kassierte der Hessische Verwaltungsgerichtshof 2020 das Urteil, ließ aber die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zu.
Der hessische Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßte das Urteil ebenso. »Es ist gut, dass das Gericht das Recht der Stadt Hanau bestätigt hat, die Lagerung von radioaktiven Stoffen mittels Bauleitplanung ausschließen zu können«, erklärte Werner Neumann vom Vorstand des hessischen BUND-Landesverbandes. Man hoffe, dass in Hanau generell kein Atommüll mehr gelagert werde.
(aus: Junge Welt, 27.1.22. Autor: Bernd Müller)