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Frankfurt am Main: Angekündigte Mieterhöhungen von Vonovia drohen ohnehin schwierige Lage zu verschärfen. Ein Gespräch mit Eyup Yilmaz

Der Chef von Vonovia, dem größten Wohnungskonzern hierzulande, hat vergangene Woche Mietsteigerungen angekündigt und das mit der Inflation begründet. Protest gegen das Unternehmen gibt es vielerorts, auch in Frankfurt am Main. Wie agiert Vonovia dort?

Der Konzern hat in der Stadt 11.500 Wohnungen. Die meisten davon befanden sich bis Anfang 2000 weitgehend gemeinnützig im öffentlichen Eigentum. Die Geschichte von Vonovia geht zurück auf die Holding Deutsche Annington Immobilien SE, die sich 2001 in Frankfurt erfolgreich um den Erwerb der Eisenbahnerwohnungen bewarb. Dem Konzern geht es um Profit und Rendite. Im Pandemiejahr 2021 machte er rund 1,7 Milliarden Euro Gewinn. Mit 1,66 Euro pro Aktie wurde die höchste Dividende der Unternehmensgeschichte ausgezahlt.

Vonovia verfolgt eine bekannte Strategie: Lange Zeit wird Instandhaltung vernachlässigt, Wohnungen verfallen, und dann wird auf Kosten der Mieterinnen und Mieter »modernisiert«. Auf diesem Wege steigen die Mieten seit Jahren vor allem in wachsenden Städten und Regionen der Republik. Günstiger Wohnraum wird knapp, untere und mittlere Einkommensgruppen sind überdurchschnittlich belastet. Verdrängungsprozesse beschrieb Sebastian Schipper von der Frankfurter Goethe-Universität unlängst in einer Studie: Früher war eine Zweizimmerwohnung mit etwa 50 Quadratmetern noch für etwa 300 Euro monatlich zu haben, heute liegt die Miete bei 800 Euro oder mehr.

Sie werfen dem Konzern vor, dass sich dieser nicht an eine Vereinbarung mit der Stadt Frankfurt, Mietsteigerungen zu begrenzen, gehalten hat. Vonovia sieht das vermutlich anders.

Keineswegs. Das Unternehmen nutzt schlicht jede rechtliche Möglichkeit, alle drei Jahre Mieten bis zu 15 Prozent zu erhöhen und Modernisierungskosten zusätzlich zu erheben. In Frankfurt hat Vonovia eine Siedlung in der Knorrstraße im Gallusviertel auf diesem Wege »modernisiert«. Mieter mussten ausziehen, weil sie sich das Wohnen dort nicht mehr leisten konnten. Aus dem Stadtteil Eschersheim beklagten Mieterinnen und Mieter in meiner Bürgersprechstunde, dass sie pro Quadratmeter teilweise mehr als zehn Euro zahlen müssen, während es früher nur sechs Euro waren. Anfang Januar kündigte das Unternehmen auch dort 15 Prozent Mieterhöhung an.

Sie fordern, Wohnungen von Vonovia, die der Konzern »für einen Appel und ein Ei zugeschustert bekommen hat«, in kommunale Hand zu überführen. Wer hat den damaligen Verkauf zu verantworten?

Die damalige Frankfurter Stadtregierung von CDU und Bündnis 90/Die Grünen verscherbelte die Wohnungen an den Konzern, mit Zustimmung von SPD und FDP. Ähnlich ging die hessische Landesregierung von CDU und FDP mit Wohnungen im Landesbesitz vor. Die Stadt stellte Vonovia Grundstücke mit skandalös niedriger Erbpacht zur Verfügung und passte diese im Laufe der Jahre nicht an. Bis 2050 laufende Erbbaurechtsverträge legen fest, dass Vonovia für die Nutzung eines Grundstückes nur wenige Cent pro Quadratmeter an die Stadt zahlen muss. Dennoch verlangt das Unternehmen überhöhte Mieten.

Die Linke in Frankfurt am Main fordert Enteignung von Vonovia und anderen Konzernen. In Berlin aber, wo Ihre Partei mitregiert, wird die Umsetzung eines entsprechenden Volksentscheids auf die lange Bank geschoben.

Ich weiß nicht, was bei der Berliner Regierung aus SPD, Grünen und Die Linke hinter verschlossenen Türen besprochen wird. Klar ist: Der Volksentscheid muss umgesetzt werden – unabhängig davon, wer dort regiert, aber insbesondere dann, wenn es Genossinnen und Genossen sind.

Kämpfen Sie nur deswegen so für linke Wohnungspolitik, weil Sie in Frankfurt in der Opposition sind?

Wir müssen sowohl in der Regierung als auch in der Opposition alles tun, um Wohnungen wieder zurück in die öffentliche Hand zu führen. Das entspricht unserem Programm. Wohnen ist Menschenrecht. Das darf nicht dem Profitinteresse von Konzernen übergeben werden. In Frankfurt schließen wir außerparlamentarisch Bündnisse und arbeiten in diesem Sinne mit Initiativen zusammen.

(aus: Junge Welt, 9.6.2022. Das Interview führte Gitta Düperthal)