Hier informieren wir regelmäßig über Aktivitäten der Kreise und des Bezirks.
Mitten in angespannter Coronalage demonstrieren »Querdenker«. Gegenprotest in Frankfurt am Main. Ein Gespräch mit Nadine Schneider
Viel wurde zuletzt über die sogenannte Querdenkerszene in Sachsen gesprochen. Doch Protest gegen die Coronamaßnahmen gibt es vielerorts. An diesem Sonnabend will das Spektrum von Verschwörungsgläubigen und Coronaimpfgegnern bis hin zu Neonazis in Frankfurt am Main auf die Straße gehen. Wie ist die Szene dort aufgestellt?
Mit den sogenannten Querdenkern marschierten in Frankfurt wiederholt Menschen auf, die man als Nazis bezeichnen könnte: etwa Personen vom »III. Weg«, von schlagenden Burschenschaften, den sogenannten Identitären bis hin zu autonomen Nationalen, aber auch AfD-Vertretern. Das Gros der Menschen, die da auf die Straße gehen, kommt aber aus der Mitte der Gesellschaft, weder aus prekären Milieus noch aus anderen vermeintlichen Problemgruppen. Es beteiligen sich auch regierungstreue Spießer, die ihre Pfründe sichern wollen, ihre Vorgärten, ihre »Freiheit«, etc.
Sie kritisieren die »egoistischen Positionen« der sogenannten Querdenker. Vertreten diese Leute vielleicht einfach nur eine strengere Lesart von Konkurrenz und Individualismus, die in unserer Gesellschaft allgegenwärtig ist?
Man hat diesen Menschen kapitalistische Marktwirtschaft gepredigt und gesagt, dass diese angeblich große Freiheiten für alle mit sich bringt. Trotz des Ausbruchs der Pandemie, die weltweit solidarisch gelöst werden müsste, beharren sie nun auf ihrem persönlichen Recht. Hier hat sich die brav angepasste »bürgerliche Mitte« zu Gegnern der Regierung entwickelt.
In den vergangenen Wochen gab es mehrere dieser Aufmärsche in der Frankfurter Innenstadt, bei denen es auch zu Gewalt kam. Wie hat die Polizei bislang darauf reagiert?
Der Polizei fällt es sichtbar schwer, sich der radikalisierten Menge entgegenzustellen, aus deren Reihen gepöbelt, geschubst und mit Regenschirmen geschlagen wird. Teilweise tummeln sich dort auch rechte Schlägertrupps, die Antifaschistinnen und Pressefotografen angreifen. Dennoch lässt man diese Leute ohne Masken durch die Straßen laufen und antisemitische Parolen brüllen. Selbst wenn Polizeikräfte danebenstehen, greifen sie nicht oder nur zögerlich ein. Statt dessen nehmen sie meist junge Gegendemonstranten fest, die häufig im nachhinein kriminalisiert werden.
Das Regierungshandeln in der Pandemie war teilweise chaotisch. Bestärkt das diese Szene?
Allerdings. Bereits vor einem Jahr war abzusehen, dass es jetzt wieder zu schweren Coronaausbrüchen kommen könnte. Im Wahlkampf wollte die Bundesregierung aber keine unpopulären Entscheidungen fällen, lavierte hin und her. Impfzentren wurden geschlossen, um sie später wieder zu öffnen. Als hätte man über all das nicht Bescheid wissen können. Ständig sich widersprechende Maßnahmen treiben die Unsicherheit an, die manche zu Anhängern von Verschwörungsideologien werden lässt.
Zur aktuell schwierigen Lage haben auch Politiker wie Karl Lauterbach, SPD, beigetragen. Der neue Gesundheitsminister war enger Berater der früheren Ressortchefin Ulla Schmidt (von 2001–2009 im Amt, jW) und warb für das System der sogenannten Fallpauschalen. Ziel war es damals, die Verweildauer von Patienten im Krankenhaus zu verkürzen und das System zu ökonomisieren. Jetzt haben wir das Problem: Kliniken mussten Stationen schließen, weil sie sich rechnerisch nicht mehr lohnen.
Sie sind Intensivkrankenschwester. Für wie bedrohlich halten Sie die Coronalage derzeit?
Die Situation ist schon jetzt katastrophaler als letztes Jahr nach Weihnachten. Weil notwendige Maßnahmen für den Winter nicht getroffen wurden, befindet sich das Gesundheitssystem am Rande des Kollaps. Die Kliniken sind aktuell hoffnungslos überfordert, so dass Personen ins Ausland gebracht werden müssen. Wer einen Schlaganfall oder einen Unfall hat, wird ein Problem haben.
Was ist Ihr Ziel?
Wir müssen Schwächere schützen, und Impfpatente müssen endlich freigegeben werden. Beim Pflegepersonal darf nicht weiter ausgedünnt werden. Es muss Schluss sein mit der kapitalistischen Politik, die auf Gewinnerzielen im Gesundheitswesen setzt, Reiche profitieren lässt und Arme zu Verlierern abstempelt.
(aus Junge Welt, 11.12.21. Das Interview führte Gitta Düperthal)
Hessen: Untersuchungsausschuss zu Hanau-Attentat hört Angehörige an. Familien fordern Konsequenzen für Behörden. Ein Gespräch mit Abdullah Unvar
Im Hessischen Landtag hat der Untersuchungsausschuss zum Anschlag von Hanau als erste Zeugen Hinterbliebene der Opfer gehört. Nach der Sitzung am vergangenen Freitag soll es am 17. Dezember weitergehen. Gab es für Sie neue Resultate?
Leider nicht, dabei stellen wir gar keine neuen Fragen – und wiederholen diese ständig. Dass wir Angehörigen dort überhaupt gehört wurden, mussten wir erst erkämpfen. Wäre es nach der hessischen Landesregierung von CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen gegangen oder nach den Behörden, hätte man die Akten so schnell wie möglich geschlossen.
Weil der Attentäter sich selber erschossen hatte, gab es niemanden mehr, den man anklagen kann. Wir akzeptieren das nicht und fordern Aufklärung, Gerechtigkeit und Konsequenzen. Zum Beispiel war der Täter den Behörden seit Jahren bekannt, hatte bereits im Vorfeld auf sich mit seiner rechtsextremen Gesinnung aufmerksam gemacht. Zu den ungeklärten Tatumständen gehört unter anderem, warum er trotzdem ab 2002 legal Waffen besitzen konnte. Auf dieses Versagen muss genau geschaut werden. Die Politik muss handeln.
Der Faschist Tobias Rathjen hatte am 19. Februar 2020 an drei Tatorten in der Hanauer Innenstadt neun Menschen, später sich selber und seine Mutter erschossen. Ferhat Unvar war eines der Opfer. Was müsste aus Ihrer Sicht als Angehöriger in dessen Gedenken geschehen?
Es müssen Konsequenzen gezogen werden, damit sich so eine schreckliche Tat in Deutschland nie wieder wiederholen kann. Wir wollen nicht, dass so ein Schmerz, wie wir ihn erleben mussten, andere Menschen nochmals durchmachen müssen. Seit jenem 19. Februar erwarten wir Hinterbliebene dieses rechtsterroristischen Anschlags lückenlose Aufklärung. Es gab eine Kette des Behördenversagens: vor, während und nach der Tat; später gegenüber den Angehörigen.
Nahmen die politisch Verantwortlichen im Ausschuss Stellung, weshalb bisher in der Hinsicht kaum etwas unternommen wurde?
Sie stellten Fragen. Ich hatte den Eindruck, dass sie alles nachvollziehen wollten. Ich rede aber jetzt nur von den demokratischen Parteien. Die AfD hat dieses Thema für sich ausgenutzt. Verwendete einer von uns versehentlich einen unpräzisen Begriff, versuchten sie, das für ihre Ziele zu nutzen. An die erste Sitzung des Ausschusses hatten wir noch keine großen Erwartungen. Aber nach den nächsten vier Terminen erwarten wir, dass unsere offenen Fragen beantwortet werden.
Vor dem Hintergrund, wie mit den Morden des rechtsterroristischen NSU umgegangen wurde: Wann wurde erstmals erwähnt, dass auch der Hanauer Anschlag einen rassistischen Hintergrund hat?
Wir neun Familien der Opfer hatten uns zuvor nicht untereinander gekannt, uns aber unmittelbar nach der Tatnacht getroffen und in der »Initiative 19. Februar« organisiert. Uns war sofort klar, dass der Täter bewusst Menschen mit Migrationshintergrund ermordet hatte, es sich um eine rechtsterroristische und rassistische Tat handelt. Der Generalbundesanwalt bestätigte es später. Manche Zeitungen berichteten dagegen zunächst von angeblichen Shisha-Morden.
Bislang haben Sie wenig Unterstützung seitens der Politik erfahren?
Wir hätten nicht nur finanzielle, sondern auch psychologische Hilfe gebraucht. Einige Familien haben kleine Kinder, die all das miterleben mussten. Für uns wird der Schrecken kein Ende haben, solange nicht endlich aufgeklärt ist, wie dies passieren konnte. Erfreulicherweise unterstützen uns Organisationen der Zivilgesellschaft.
Wie schätzen Sie das Vorgehen der Polizei ein?
Einerseits waren einfache Beamte in der Tatnacht möglicherweise überfordert, wussten nicht, wie sie handeln sollten, waren dafür nicht ausgebildet. Ich selber habe an einem Tatort in Hanau-Kesselstadt, wo der Täter wohnte, mitbekommen, dass sich ein Polizist übergeben musste. Andererseits darf man nicht vergessen, dass es ja in der Polizei selber rechtsextreme Chatgruppen gab. Deshalb fordern wir, dass innerhalb der Behörden Rechtsextremismus und Rassismus bekämpft werden. Beamte müssen unabhängig sein, sonst kann man sich nicht auf sie verlassen: Wir werden keine Sicherheit haben.
(aus Junge Welt, 8.12.21. Das Interview Führte Gitta Düperthal)
Hessen: Schwarz-grüne Regierung hält sich zu mutmaßlichem Rechtsterroristen und CDU-Politiker betont bedeckt. Gespräch mit Torsten Felstehausen
Marvin Euhus, im März bei der CDU in Spangenberg als Kandidat auf der Kommunalwahlliste, ist des Rechtsterrorismus verdächtig und sitzt seit Mitte September in Untersuchungshaft. Bei ihm waren zuvor Hunderte selbstgebastelte Sprengkörper sowie ein rassistisches Manifest gefunden worden. Weshalb schwiegen Staatsanwaltschaft und CDU-Innenminister Peter Beuth lange dazu?
Dazu haben wir im Innenausschuss am 25. November nachgefragt. Es kam uns merkwürdig vor, dass die Öffentlichkeit über solch bedeutsamen Fund in Nordhessen erst drei Monate später informiert wurde. Allerdings wollte der Innenminister keine Fragen zum Tatkomplex beantworten. Beuth erklärte wortreich, weshalb nicht er verantwortlich sei, sondern nur die Staatsanwaltschaft, allenfalls Mitarbeiter des Justizministeriums. Wir gehen davon aus, dass der Vorfall die CDU in Nordhessen zwei Wochen vor der Bundestagswahl in helle Aufregung versetzt hat. Die Partei hatte kein Interesse daran, dass bekannt wird: Ein Kandidat auf einer ihrer Listen wird verdächtigt, rechtsextremistische Schriften und Anleitungen zum Waffen- und Strengstoffbau verfasst zu haben. Keine Spur von Beuths üblicherweise eiligem Informieren der Öffentlichkeit, um im Licht eigener Erfolge zu glänzen!
Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main äußerte gegenüber dieser Zeitung am 12. November, die Untersuchungen in dem Fall liefen zunächst gegen eine Einzelperson. Was wissen Sie darüber?
Auf eine unserer Nachfragen hin rutschte dem Innenminister im Ausschuss heraus, dass gegen mehrere Personen ermittelt wird. Auf die Frage, wie groß der Personenkreis sei, verwies er auf die Staatsanwaltschaft. Die sagte, Auskünfte dazu könnten Ermittlungsergebnisse gefährden. Die Frage, woher die Erkenntnisse stammten, wurde mit dem Hinweis beantwortet, sie seien aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz, nicht aus dem Landesamt. Ansonsten trafen wir auf eine Mauer des Schweigens; auch als wir fragten, ob das Manifest Berührungspunkte zu anderen rechtsextremistischen Tätern enthält, etwa in Hanau, Halle oder München.
Die »Antifaschistische Gruppe Kassel« hatte den Namen des Verdächtigen sowie dessen Engagement für die CDU im Internet publik gemacht. Die Gruppe kritisierte, dass anders als in diesem Fall die Verhaftung der Antifaschistin Lina E. in aller Öffentlichkeit im Detail breitgetreten worden ist. Wie erklären Sie sich das?
Da wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen. Zwar liegt der Leipziger Fall von Lina der Bundesanwaltschaft vor, und dieser Fall des rechten Terrorismusverdächtigen in Hessen. Allerdings sind Staatsanwaltschaften weisungsgebunden. Neben ihrem Amt als Justizministerin ist die zuständige Eva Kühne-Hörmann stellvertretende Landesvorsitzende der CDU Hessen. Sie wollte sich wohl nicht mit Fragen auseinandersetzen wie: Was wusste die CDU in Nordhessen darüber? Hat sie etwa einen mutmaßlichen Rechtsterroristen in ihren Reihen toleriert?
Ist es plausibel, dass Marvin Euhus bei der CDU in Spangenberg nicht auffiel?
Parteien vor Ort haben oft Probleme, ihre Listen zu füllen. Fällt ein Kandidat nicht weiter auf, überprüft man nicht. Dieser junge Mann hat sich offenbar im Internet radikalisiert. Wir wissen nicht, ob er gegenüber CDU-Leuten seine Auffassung zum Staat offengelegt hat, ob seine Manifeste, die zur Vernichtung des jüdischen Volkes aufrufen, dort bekannt waren. Anders als beim Fall eines Neonazis aus Helsa in Nordhessen, der auf der Liste der AfD kandidierte, war bei Marvin Euhus nicht mit wenigen Klicks festzustellen, dass er ein Neonazi ist.
Handelt es sich bei der benannten Mauer des Schweigens um ein strukturelles Problem?
Bei den vielen Fällen rechtsextremistischer Strukturen und Gewalt fällt auf, dass das hessische Innenministerium Informationen darüber häufig erst auf öffentlichen Druck herausgibt. Zu unter Geheimhaltung stehenden NSU-Akten entschieden die hessische CDU und ihr Koalitionspartner, die Grünen, diese zunächst für 120 Jahre zu sperren. Später wurde das auf immer noch 30 Jahre reduziert. Entweder fehlt es bei den Sicherheitsbehörden an Erkenntniswillen oder an Kompetenz.
(aus: junge Welt, 7.12.21. Das Interview führte Gitta Düperthal)
AfD-Bundesparteitag in Wiesbaden: Bündnis mobilisiert zu Protesten im Dezember. Ein Gespräch mit Lisa Hofmann
Die AfD plant ihren Bundesparteitag für den 11. und 12. Dezember in Hessens Landeshauptstadt Wiesbaden. Ein Zusammenschluss von Organisationen will gemeinsam mit »Aufstehen gegen Rassismus« und dem Wiesbadener »Bündnis gegen rechts« gegen das Treffen protestieren. Tragen Sie so nicht dazu bei, dass diese Partei Aufmerksamkeit bekommt?
Nein. Medien halten die AfD ohnehin ständig im öffentlichen Diskurs – zumal sie im Bundestag vertreten ist, in Wiesbaden ihren Parteitag abhalten und die Vorsitzenden neu wählen wird. Unsere Aufgabe ist es, klar Stellung zu beziehen. Erstmals seit dem deutschen Faschismus von 1933 bis 1945 besteht wieder die Gefahr, dass eine Partei hierzulande eine Massenbasis für eine völkische Ideologie gewinnt. Da können wir nicht einfach nur zuschauen.
Das Bündnis konstatiert, dass die AfD der parlamentarische Arm des rassistischen und rechten Terrors ist und sich mit Hass und Hetze als Brandstifterin betätigt. Woran machen Sie diese Verbindung fest?
Die AfD bereitet gemeinsam mit anderen den Boden für die Radikalisierung rechter Attentäter. Das schlägt bisweilen um in antisemitische und rassistische Verbrechen: zum Beispiel am 9. Oktober 2019 beim versuchten Massenmord an Juden in der Synagoge in Halle; oder am 19. Februar 2020, als acht Hanauer Bürger und eine Bürgerin mit Migrationshintergrund von einem Neonazi ermordet wurden; oder beim tödlichen Angriff auf einen Tankstellenkassierer in Idar-Oberstein, wo am 18. September dieses Jahres ein junger Mann erschossen wurde, weil er den Täter zuvor auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte. Letzterer hatte in den sozialen Medien kein Geheimnis aus seinen Sympathien für die AfD gemacht.
Die Positionen dieser Partei zu sozialen und ökologischen Fragen, aber auch zur Coronapandemie seien nicht nur existenzbedrohend für einige Gruppen, sondern für uns alle, sagen Sie.
Die AfD leugnet den menschengemachten Klimawandel. Dabei behauptet sie, mit ihren Positionen die Interessen der »kleinen Leute« zu vertreten. Allerdings sieht ihr Renten- und Sozialprogramm eine klare Umverteilung von den Armen zu den Reichen vor. Die Partei macht sich zugleich mit der Bewegung der Coronaleugner gemein, ihre Kader reihen sich in die »Querdenker«-Proteste ein. Erika Steinbach, ehemalige CDU-Abgeordnete, neuerlich Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, fällt immer wieder mit absurden Verschwörungserzählungen auf. In besonders widerlichen Posts im Internet spekulierte sie etwa über die Herkunft des Coronaimpfstoffs und bediente sich abwegiger Mythen. Leider ist das keine Satire, sondern ernst gemeint.
Könnte sich die Stimmungsmache der AfD im Bundestag verändern, wenn ihr eine »Ampel«-Regierung gegenübersitzt und sie nicht mehr die größte Oppositionsfraktion ist?
Von diesem Status konnte die Partei während der letzten Legislatur sicher profitieren. Ich bezweifle, dass eine neoliberale Politik unter einer »Ampel«-Regierung ihr den Boden für ihre Hetze entziehen wird. Diese Partei wird sich weiterhin gegen die Fiktion einer »linksgrün versifften Republik« wenden. Wenn die Grünen mitregieren, wird sie in gewohnter Manier laut krakeelen.
Sie befürchten weitere Rechtsverschiebungen im öffentlichen Diskurs, die sich nur schwer wieder rückgängig machen lassen. Was sollte man dem entgegenhalten?
Regierung und Parlament müssen eine klare Linie ziehen: Wer faschistische Ideologien verbreitet, hat den Boden des demokratischen Diskurses verlassen. Angesichts der 2022 bevorstehenden Landtagswahlen darf die AfD kein Dauergast in Talkshows und Podiumsdiskussionen sein. Taucht sie aber irgendwo auf, werden wir uns ihr mit lautem Protest entgegenstellen. Deshalb mobilisieren wir schon jetzt bundesweit für Demonstrationen gegen den Bundesparteitag der AfD.
(aus: Junge Welt, 27.10.21. Das Interview führte Gitta Düperthal)
Aufklärung von Behördenversagen bei Anschlag von Hanau steht weiterhin aus. Ein Gespräch mit Newroz Duman
Gemeinsam mit den Angehörigen der neun Opfer, die bei den Anschlägen vom 19. Februar 2020 in Hanau ermordet wurden, kämpfen Sie um Aufklärung. An jedem 19. Tag eines Monats erinnert die »Initiative 19. Februar« daran. Mit welchem Ziel?
Auch 20 Monate nach dem rassistischen Terroranschlag sind die zentralen Fragen der Angehörigen zur Tatnacht, was davor und danach geschah, ungeklärt. Wie konnte es überhaupt passieren, warum wurde es nicht verhindert? Warum verlängerte die Behörde den Waffenschein des Täters, obgleich er zuvor auffällig geworden war. Weshalb hatten Staatsanwaltschaft und Bundesanwaltschaft seine Drohbriefe mit rassistischen und rechtsextremistischen Inhalten nicht ernstgenommen? Warum hatte die Polizei in der Mordnacht die Notrufe von Vili-Viorel Paun nicht entgegengenommen, der den Täter vom ersten Tatort bis nach Hanau-Kesselstadt verfolgte, bevor er dort erschossen wurde? Warum war der Notausgang des Kiosks, des zweiten Tatorts, verschlossen, damit der Fluchtweg versperrt, und wer wusste davon? Es geht um Obduktionen, die rechtswidrig, ohne Erlaubnis von Angehörigen, eingeleitet wurden; um den Umgang der Behörden mit den Familien der Opfer; um deren verspätetes Handeln während der Tatnacht und danach. Warum dauerte es Stunden, bis das Sondereinsatzkommando das Wohnhaus des Täters stürmte? Wir wissen bis heute nicht, wer die Verantwortung für das Geschehene trägt.
Der Täter hat sich selber und seine Mutter im Anschluss an die Tat umgebracht. Welche Rolle spielte dessen Vater?
Im Dezember 2020 wurde bekannt, dass der Vater in den Monaten nach dem Anschlag seines Sohnes Eingaben bei Gericht, Staatsanwaltschaft und Polizei gemacht hatte. Unter anderem habe er die Waffen seines Sohnes zurückverlangt und gefordert, dass die Webseite mit dessen rassistischen Vernichtungsphantasien wieder online gestellt wird. Im Februar 2021 hatten Anwältinnen und Anwälte der Angehörigen der Opfer beim Generalbundesanwalt eine gemeinsame Strafanzeige gegen den Vater des Mörders erstattet, insbesondere wegen Beihilfe zum mehrfachen Mord. Entgegen seinen Aussagen, dass er am Tatabend geschlafen und von allem nichts mitbekommen habe, wurde er unmittelbar nach der Tat von zwei Nachbarn am Auto seines Sohnes gesehen. Dennoch entließen ihn die Ermittlungsbehörden bereits wenige Stunden nach der Tat aus dem Beschuldigtenstatus und erklärten ihn zum Zeugen. Das Hanauer Amtsgericht verurteilte ihn am 6. Oktober wegen Beleidigung der Opfer. Die rechtsextreme und rassistische Grundhaltung des Angeklagten wurde zweifelsfrei festgestellt. Fragt sich: Welche Gefahr geht von ihm weiterhin aus? Seine Rolle vor und in der Tatnacht ist zu ermitteln.
Ein Untersuchungsausschuss zum Anschlag nimmt im Hessischen Landtag seine Arbeit am 3. Dezember auf. Für die Zeugenvernehmungen wurde festgelegt, dass die Angehörigen zuerst gehört werden.
Die hessische Regierungskoalition von CDU und Bündnis 90/Die Grünen hat dies nicht mehr blockieren können, weil die Angehörigen mit Druck verdeutlicht haben, wie wichtig es ist, die Betroffenen zuerst zu hören. Es darf kein Vergessen geben. Wir werden weiter regelmäßig zusammenkommen, damit dieses rechtsextremistische Verbrechen sichtbar bleibt. Ihre Kinder wurden nicht beschützt. Der Terroranschlag hat das Leben vieler Menschen zerstört.
Wie steht es um deren finanzielle Unterstützung?
Wir wollten einen Fonds für Opfer rechter Gewalttaten, die Landesregierung aber beschloss Anfang 2021 einen für Opfer allgemeiner Kriminalität. Dieser wird der Zäsur des Anschlags in Hanau und dem Leid vieler weiterer Opfer rechter Gewalt in Hessen nicht gerecht. Bis heute ist kein Geld geflossen. Es kann nicht sein, dass diese traumatisierten Menschen obendrein noch auf Sozialhilfe angewiesen sind. Die Landesregierung zeigt auch so, dass sie die politische Dimension des rechtsterroristischen Anschlags und die Bedrohungslage durch rechte Gewalt verkennt.
(aus: Junge Welt, 21.10.21. Das Interview führte Gitta Düperthal)
Mit konsequentem Einsatz für die Mieter ins Stadtparlament von Maintal
Vor 15 Jahren gründete sich im hessischen Maintal die „Wahl Alternative Maintal“ (WAM). Zu den Initiatoren gehörte das DKP-Mitglied Klaus Seibert, der seitdem Mitglied des Stadtparlamentes ist. Bei der Gründung spielte auch der Antifaschismus eine Rolle, denn die REPs hatten in den großen Wohngebieten der Stadt über 20 Prozent der Stimmen. Auch durch den konsequenten Einsatzes der WAM für die Mieter konnte ihr Einfluss zurück- und die Rechten schließlich auch aus dem Parlament herausgedrängt werden.
Die direkte Nachbarschaft zur Bankenmetropole Frankfurt verschärft die Wohnsituation in der 40.000-Einwohner-Stadt Maintal zusätzlich. Seit Mitte der 80er-Jahre sind hier Auseinandersetzungen an der Tagesordnung. Angefangen hatte es mit der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Rolf Knecht, der Konzernbetriebsratsvorsitzende von Honeywell, setzte das Thema in unserer damaligen DKP-Betriebsgruppe auf die Agenda.
Bei dem Thema der Umwandlung konnten wir die Gewerkschaften in den Kampf einbeziehen. Später kamen auch der Mieterbund und andere Mieterzusammenschlüsse hinzu. So konnte sowohl eine Zeitverzögerung als auch eine Abmilderung der Auswirkungen erkämpft werden. Die Aufklärung und Aktivierung der Betroffenen (unter anderem „Kauf bricht Miete nicht!“) war verbunden mit intensiver Öffentlichkeitsarbeit durch Flugblätter und Pressemitteilungen, bildete die Basis unseres Engagements.
Eskaliert sind dann ab den 90er-Jahren die Kämpfe in der Frage des Sozialen Wohnungsbaus. Von etwa 1.300 Sozialwohnungen in der Stadt ist der Bestand auf derzeit nicht einmal 400 zurückgegangen. Auch öffentliche Wohnungsbaugesellschaften erhöhten die Mieten drastisch alle drei Jahre, Mietsteigerungen von über 200 Prozent im Laufe der Zeit waren keine Seltenheit. Hinzu kam, dass die Stadt Frankfurt privaten Spekulanten Wohnungen in den gierigen Rachen warf.
Diese Lage führte dazu, den Kampf auch auf der Ebene der Kommunalpolitik zu führen. Dies war mit ein Hauptgrund, ein Wahlbündnis zu gründen, das von ehemaligen CDU-Mitgliedern bis zur DKP reichte. Ein Schwerpunkt war dabei die Wohnungsfrage. Mit der Forderung, mindestens 30 Prozent aller neuen Wohnbebauung müssen Sozialwohnungen sein, zogen wir 2006 in das Parlament ein. Hatte bis dahin das Thema Miete so gut wie keine Rolle gespielt, stand es nun laufend auf der Tagesordnung im Stadtparlament, sei es mit konkreten Anträgen oder auch mit immer neuen Anfragen.
Die Forderung nach der 30-Prozent-Quote konnte schließlich erreicht werden. Allerdings hatten die Grünen die Verwässerung durchgedrückt, dass der Beschluss lediglich für Geschosswohnungsbau gültig wurde. Dies nahmen natürlich CDU, SPD und FDP freudig auf, und man beschloss jahrelang gegen unsere Stimmen, nur noch Einfamilien- und Reihenhäuser zu bauen.
Hartnäckigkeit, Öffentlichkeitsarbeit und weitere Wahlerfolge zwangen zum Umdenken. Es führte sogar zur Gründung einer eigenen städtischen Immobiliengesellschaft, um einigermaßen günstigen Wohnraum zu schaffen. Doch dies setzt natürlich die Gesetze des Kapitalismus nicht außer Kraft, zumal die Finanzierung der neuen Wohnungen gegen unsere Stimmen auch durch Veräußerung von Flächen an Spekulanten (neuhochdeutsch: Investoren) bewerkstelligt wird. Der Maintaler Weg hilft einigen Menschen zu relativ günstigem Wohnraum, ändert aber insgesamt gesehen nichts Grundlegendes an der Misere. Die Frage der Eigentumsverhältnisse muss dabei immer wieder problematisiert werden. Trotz der absoluten Schwäche unserer DKP sind wir hier gefordert. Die Auswertung von Erfahrungen zum Beispiel des breiten Bündnisses „Mietenwahnsinn Hessen“ oder des Berliner Volksentscheids „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ spielen dabei eine große Rolle und bieten jede Menge Anregungen zu aktivem Eingreifen, sogar als Einzelkämpfer.
(aus UZ, 12.11.21. Autor: Klaus Seibert)
Ortsvorsteher Walter Eckert (DKP) ist empört
In einem „Extra Ueberau“ der DKP-Wohngebietszeitung „Unser Weg“ erschien zur Schließung der Sparkassenfiliale im Reinheimer Ortsteil Ueberau zu diesem Thema ein Interview mit Walter Eckert, das wir hier dokumentieren.
Unser Weg: Wie hast du erfahren, dass die Sparkasse schließt?
Walter Eckert: Als ich in der Sparkasse in Ueberau war, habe ich das Plakat mit dem Hinweis zur Schließung per 1. September 2021 gesehen.
Unser Weg: Du wurdest nicht von der Sparkasse angesprochen und informiert?
Walter Eckert: Nein
Unser Weg: Als 2018 das Personal aus der Ueberauer Sparkassenzweigstelle abgeschafft wurde, wurde ja niemand informiert.
Walter Eckert: Genau. Damals haben wir darum gebeten, dass das so in Zukunft nicht mehr ablaufen soll. Jetzt werden wir wieder vor vollendete Tatsachen gestellt.
Unser Weg: Ihr habt damals viel getan, um die Sparkassenfiliale zu erhalten.
Walter Eckert: Ja. Wir haben Unterschriften gesammelt, wir haben uns an die Presse gewandt. Wir haben uns an den Landrat Schellhaas als Vorsitzenden des Sparkassen-Verwaltungsrats gewandt.
Unser Weg: Was habt ihr erreicht?
Walter Eckert: Der Landrat hat uns Gespräche mit dem Sparkassenvorsitzenden Herrn Neßler vermittelt. Es gab weitere Aussprachen. Es gab Schulungsangebote für die Kunden und es gab eine Veranstaltung im Bürgerhaus, bei der erläutert wurde, dass es nicht rentabel sei, Personal weiter „vorzuhalten“.
Unser Weg: Wie siehst du es jetzt?
Walter Eckert: Vor allen Dingen bin ich sauer darüber, dass es vorher keine Info, kein Gespräch gab, um die Meinung der Vertreterinnen und Vertreter vor Ort zu hören. Damals wurde gesagt, dass die Automaten auf jeden Fall erhalten werden. Doch jetzt werden wir wieder vor vollendete Tatsachen gestellt. Außerdem kommen die Straßenbaumaßnahmen in Reinheim dazu. Zumindest für einen solchen Zeitraum hätte man die Automaten noch stehen lassen sollen. Ich bezweifle nicht, dass die Sparkasse in Reinheim erreichbar sein wird. Doch muss man vorher wissen, wie komme ich gerade dort hin, welche Straße wird umgeleitet.
Unser Weg: Da hätte der Ortsbeirat sicher Vorschläge machen können – oder du als Ortsvorsteher.
Walter Eckert: Natürlich. Ich hätte den Vorschlag gemacht, bis zur Fertigstellung der Straßenbaumaßnahmen alles so zu belassen.
(aus UZ, 12.11.21)
Landesregierung wollte Niedrigzinsen sichern und verliert mit Spekulationen Milliarden
Die Idee war schon 2011 nicht ganz neu: Wenn Politiker mit Steuergeldern Finanzwetten abschließen, geht das nicht selten schief. Seit unter der Schröder-Fischer-Regierung aus SPD und Grünen (1998 bis 2005) auch obskure Finanzdeals in Deutschland zugelassen wurden, hat sich das mehrfach gezeigt. Wenn es ausgerechnet die Landesregierung Hessen ist, die sich mit Spekulationen (zugunsten der Banken) verzockt, hat das allerdings ein besonderes Geschmäckle. Ist doch das Bundesland mit seiner Metropole Frankfurt am Main wichtigster deutscher Finanz- und Bankenstandort – was eine besondere Nähe zwischen Bankern und Politik nahelegt. Ob die Politik dabei gut beraten wurde und wird, ist allerdings zweifelhaft.
Wie mehrere Medien am Donnerstag und Freitag berichtet hatten, war das Kabinett unter Volker Bouffier (CDU) bereits 2011 auf die bemerkenswerte Geschäftsidee verfallen, eine Wette auf die künftige Zinsentwicklung einzugehen. Mit diesem Deal sollte – so die verbreitete Legende – eine planbare Grundlage für den Schuldendienst des Landes geleistet werden. Deshalb vereinbarte Hessen mit einer Reihe von Finanzinstituten insgesamt 65 Finanzwetten – genannt Forward Payer Swaps (FPS) –, wie das Magazin The European (TE) berichtete. Das Gesamtvolumen des Geschäfts soll sich dabei auf 6,5 Milliarden Euro belaufen haben. Der Hammer dabei ist die Laufzeit: Die soll sich laut TE über 40, laut Focus online vom Freitag sogar auf 50 Jahre erstrecken.
Hessens damaliger Finanzminister Thomas Schäfer (er beging im vergangenen Jahr nach offiziellen Angaben Suizid) hatte damals die tolle Idee, den nach seiner Meinung »historisch niedrigen Zinssatz« von 3,7 Prozent als Obergrenze für den Schuldendienst des Landes mit Hilfe der Wetten festzuklopfen. Was in sein Kalkül für die kommenden 40 oder gar 50 Jahre nicht einging, war die Tatsache, dass sich 2011 bereits zahlreiche Staaten des Westens hoffnungslos überschuldet hatten. Im Juli 2012, rund ein Jahr nach Schäfers Geistesblitz, erklärte Mario Draghi im Namen der Europäischen Zentralbank (EZB), dass diese alles unternehmen werde, um die überschuldeten Staaten vor der Pleite zu bewahren – »whatever it takes« (was immer es kostet). Seitdem sanken die Zinsen, und der maßgebliche EZB-Leitzins wird bis heute bei Null gehalten.
Hessens Steuerbürger kostet die Geschichte nach derzeitigen Angaben bis zu vier Milliarden Euro – was den unter Draghis Zinsdiktat ebenfalls leidenden Banken ein willkommenes Zubrot sein dürfte. Bei den FPS-Geschäften soll es den Medienangaben zufolge keine Ausstiegsklausel geben. Bleibt für Hessens Bürger nur zu hoffen, dass die Zinsen doch noch irgendwann steigen. Danach allerdings sieht es auf absehbare Zeit nicht aus. Denn trotz aller Finanzakrobatik und Gelddruckerei der EZB hat sich die Schuldenlast der meisten Staaten – auch Deutschlands – in Folge der drastischen Maßnahmen im Rahmen der Coronakrise weiter erhöht. Ein Leitzinssatz von einst »historisch niedrigen« 3,7 Prozent würde vermutlich den Staatsbankrott und das Ende der Eigenstaatlichkeit zahlreicher EU-Länder bedeuten – inklusive aller dramatischen Auswirkungen auf große Teile der Bevölkerung.
(aus: Junge Welt, 6.11.21. Autor: Dieter Schubert)
Vor 40 Jahren wurde das Hüttendorf der Gegner der Frankfurter Startbahn West geräumt. Gespräch mit Christiane Böhm
Am 2. November jährte sich zum 40. Mal die Räumung eines Hüttendorfs, das Gegner des Flughafenausbaus in Frankfurt am Main errichtet hatten. Zehntausende waren damals gegen die sogenannte Startbahn West aktiv. Was ist davon geblieben?
Als der Flörsheimer Wald für den Flughafenausbau gefällt wurde, waren große Teile der Bevölkerung in den Widerstand involviert. Als Reaktion auf die Räumung des Hüttendorfs am 2. November 1981 besetzten Schülerinnen und Schüler den Bahnhof Groß-Gerau-Dornberg. An einem Hungerstreik beteiligten sich Menschen, die ansonsten der CDU nahestanden. Es war der Beginn einer großen Umweltbewegung. Der Rhein-Main-Flughafen breitete sich wie ein Krake aus. Doch nicht in dem Ausmaß, wie die Fraport AG es beabsichtigt hatte: Das Abholzen der Bäume verzögerte sich durch ständig neue Hürden und Beschwerden.
Wo engagieren sich heute die, die damals Widerstand leisteten?
Viele der Menschen, die damals ihre Ausbildung oder ein Studium absolvierten und protestierten, sind heute noch politisch aktiv. Angelika Lange-Etzel war am 11. Oktober 1981 dabei, als die Polizei brutal auf 10.000 Demonstrierende einknüppelte. Heute ist sie in der Anti-AKW-Bewegung und rät jungen Leuten, nicht darauf reinzufallen, wenn die Atomindustrie sich »grün zu waschen« versucht. Der Wiesbadener Arzt Michael Wilk engagierte sich im Bündnis der Bürgerinitiativen gegen den Flughafenausbau. Er organisiert noch immer häufig Demos. Aktiv sind auch der heute über 80jährige Rudi Hechler, Exstadtverordneter der DKP in Mörfelden-Walldorf sowie der damalige Lehrer Knut Dörfel, der mit Kollegen abseits vom Hüttendorf eine Sanitätsstation organisierte.
Sie selbst haben Nachfolgebewegungen gegen den Flughafenausbau im Kelsterbacher und im Treburer Wald begleitet. Weshalb gelang es nicht, eine ähnliche Resonanz in der Öffentlichkeit zu erreichen wie damals?
Die tödlichen Schüsse auf zwei Polizeibeamten im Flörsheimer Wald 1987 lähmten die Bewegung. Als 2008 die Nordwestlandebahn gebaut werden sollte, stemmten sich Waldbesetzerinnen und -besetzer erneut gegen die Pläne. Mit der Massenbewegung von früher war das aber nicht vergleichbar. 2009 räumte die Polizei Baumhäuser im Kelsterbacher Wald. Wieder wurde ein Naherholungsraum vernichtet. Nachdem Kanzlerin Angela Merkel 2011 die Landebahn eröffnet hatte, betraf der davon ausgehende Fluglärm nicht nur Hessen, sondern auch Rheinland-Pfalz. Studien belegten, welche Gesundheitsgefährdung er darstellt. Der Schutzstatus des Treburer Walds, als Bannwald und damit als wichtig für Klima und Luftreinhaltung klassifiziert, wurde für den Flughafenausbau aufgehoben. Waldbesetzung und Montagsdemos folgten.
Ist der Widerstand heute zu brav, nach dem Motto: Hauptsache, über meinen Vorgarten wird nicht geflogen?
Nein, die Bewegung gegen die Verlärmung hat sich vergrößert. Zugleich propagierte Fraport den Airport aber als »Jobmaschine«. Die Existenz vieler Familien ist davon abhängig. Menschen wollten sich nicht der eigenen Einkommensquelle entledigen, indem sie sich gegen Umweltgefahren engagieren. Dieses Argument macht uns von der Linken und den Flughafenbürgerinitiativen wütend. Meist handelt es sich um sehr prekäre Jobs bei Subunternehmen, wo Beschäftigte mit Hartz IV aufstocken müssen.
Wie wird es weitergehen?
»Fridays for Future« und andere junge Bewegungen entdecken das Thema. Die Coronakrise verzögerte zwar den weiteren Ausbau, Fraport hält aber am Konzept fest, obwohl die behauptete Nachfrage und Zunahme des Flugverkehrsaufkommens nie erfolgte. Man setzt auf Billigflieger. Dagegen muss gemeinsamer Widerstand von Beschäftigten, Umweltaktivisten und den umliegenden Kommunen des Airports erfolgen, auch von Frankfurt und Mainz. Wir fordern die neue Bundesregierung auf, Flüge nicht mehr zu subventionieren und statt dessen die Bahn zu fördern.
(aus: Junge Welt, 5.11.21. Das Interview führte Gitta Düperthal)
Am 3. August 2021 fand auf dem Römerberg in Frankfurt eine Kundgebung der DKP Hessen statt. Der Versuch, der DKP auf formalem Wege den Parteienstatus zu entziehen, war zwar gescheitert. Weitere Versuche linken Organisationen die Grundlage zu entziehen, werden aber kommen. Deshalb sollte ein Zeichen gesetzt werden: mit unterschiedlichen Schwerpunkten setzen sich fortschrittliche, linke Kräfte ein gegen den Abbau demokratischer Rechte, gegen Krieg, Faschismus, Rassismus und die Abwälzung der Kosten der Corona Krise auf die arbeitende Bevölkerung. Nur gemeinsam werden wir uns der Reaktion entgegenstellen können.
In den Reden wurde dargestellt, dass sich die DKP grundsätzlich von anderen Parteien unterscheidet, weil sie auf das aktiv Werden der arbeitenden Menschen orientiert, statt auf parlamentarische Stellvertreterpolitik. Es wurde gezeigt, in welcher Weise sich die BRD seit dem 2. Weltkrieg politisch und ökonomisch entwickelt hat bis zum „schlanken Staat“ in der aktuellen Kapitalismusvariante. Es wurde die drohende Kriegsgefahr aufgezeigt, und die Kräfte, die unterhalb der Regierung das politische Klima in Deutschland beeinflussen, wie Geheimdienste, Großkonzerne und Thinktanks.
Der Versuch, die DKP mit administrativen Mitteln mundtot zu machen, wurde in eine Reihe gestellt mit den Angriffen gegen attac, VVN-BDA, Rote Hilfe oder die Tageszeitung junge Welt.

In mehreren Solidaritätsadressen wurde die ausdauernde Friedensarbeit der DKP lobend hervorgehoben und erwähnt, dass in Frankfurt die DKP gegründet wurde, der Stadt von Etty und Peter Gingold und Emil Carlebach, die als Widerstandskämpfer hoch geschätzt werden.