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Hessen: Kultusminister für Unterricht zu Ostern und im Sommer wegen Lernrückstand durch Coronapandemie. GEW dagegen. Ein Gespräch mit Birgit Koch

Die Kultusminister der Länder debattieren derzeit über schulische Feriencamps und -akademien zu Ostern und im Sommer. Hessens Bildungsminister Alexander Lorz, CDU, sagte, so könne der aufgrund von Schulschließungen während der Coronazeit verpasste Lernstoff nachgeholt werden. Warum steht die GEW dem skeptisch gegenüber?

Ob Camps oder Akademien zu Ostern und im Sommer: Wir sind nicht überzeugt, dass das Sinn macht. Zwar hat es in der Coronazeit Probleme gegeben und einiges müsste nachgeholt werden. Aber das nun zum Notstand zu erklären, wie Kultusminister Lorz es tut, finde ich überzogen. Ob es überhaupt Rückstände beim Lernstoff gibt, wäre erst nachzuweisen. Zu prüfen wäre, welche realen Lücken in verschiedenen Klassen tatsächlich entstanden sind. Jetzt die Ferien für Lernangebote öffnen zu wollen, ist aus meiner Sicht unsinnig. Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte brauchen Ferien, um sich zu erholen.

Die GEW bezeichnet es als »Paukschule«, in den Ferien die Kompensation des verpassten Lernstoffes in den Mittelpunkt zu stellen. Wie ist das gemeint?

Nach unserer Einschätzung besteht mit Blick auf die Ferien für Kinder und Jugendliche eher Bedarf an freizeitpädagogischen Angeboten; sich zu treffen, soziales Lernen, Sport machen, kreative Prozesse erleben. Lerncamps können nur freiwillige Angebote sein. Ob daran die Schülerinnen und Schüler teilnehmen, die es tatsächlich benötigen würden, ist zu bezweifeln. Vermutlich würden Eltern ihre Kinder bringen, die sowieso schon beflissen sind, dass ihre Kinder viel lernen. Die anderen würden wir so vermutlich nicht erreichen.

Unter dem Motto »Fit für die nächste Klasse« seien in den Sommerferien 2020 rund 20.000 der rund 760.000 hessischen Schüler über die Ferienakademien gefördert worden. Laut Kultusministerium habe das »in etwa dem Bedarf entsprochen«.

Natürlich haben Eltern, Kinder und Jugendliche Ängste, dass aufgrund der Pandemie Lernstoff verlorengegangen sein könnte. Ihnen geht es um das Erbringen möglichst guter Leistungen. Fragt sich aber: Mit welchem Personal soll das bewältigt werden? Im Sommer 2020 hat man Schulleitungen verpflichtet, das zu organisieren. Sie konnten nicht in die Ferien, mussten teils mit Druck Lehrpersonal auftreiben oder aber Studierende oder pensionierte Lehrer. Das Material mussten Klassenlehrer vorbereiten – nach dem Motto: Du kannst die Schüler nicht hängen lassen und bekommst 26 Euro pro Stunde. Ob das Ergebnis eines solchen Kraftaufwandes qualitativ gut ist? Wir meinen: nein!

Die Organisation liege bei den Schulen, das Ministerium werde Geld zur Verfügung stellen, hieß es dort. Reicht das nicht?

Das war Getöse im Kommunalwahlkampf. Die Landesregierung wollte sich nach außen darstellen: Wir haben das Problem erkannt und steuern gegen. Das ist aber Augenwischerei. Denn ein sinnvolles Konzept fehlt. Die jetzt auftretenden Probleme sind nicht neu. Den Notstand, dass sozial benachteiligte Jugendliche abgehängt werden, gab es schon immer; mag sein, durch die Pandemie noch verschärft. Durch die Aufteilung in verschiedene Schulformen – Hauptschule, Realschule, Gymnasium – gibt es sowieso keine Chancengleichheit. Es ist Zeit, über neue Formen des Lernens und eine andere Form von Schule nachzudenken.

In Hessen soll für Grundschüler ab Mitte April der eingeschränkte Regelbetrieb mit fünf Tagen Unterricht pro Woche gelten. Ab Jahrgangsstufe fünf soll dann Wechselunterricht möglich sein, solange die Inzidenzzahlen unter 100 liegen. Sind Sie in solche Entscheidungen des Kultusministeriums eingebunden?

Uns oder andere Lehrerverbände fragt keiner, wie all das zu bewerkstelligen sein soll. Die Krise zu bewältigen, ist ein großer Kraftaufwand. Zwar stehen 36 Millionen Euro bis Ende des Jahres für die Schulen bereit. Aber wer soll es tun? Es muss genug Räume und zusätzliches Personal geben. Impfdosen und Tests stehen nicht bereit. Es kann nicht sein, dass Lehrer dann etwa Schüler testen sollen. Wir fordern ein Langzeitkonzept, um Schülerinnen und Schülern, die Förderbedarf haben und die wir auch sonst nicht gut erreichen, individuell zu fördern.

(Junge Welt, 15.3.2021. Das Interview führte Gitta Düperthal)

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Rodungen in Hessen: Verantwortung für Bau der A 49 liegt bei Grünen-Minister Al-Wazir. Ein Gespräch mit Torsten Felstehausen

Torsten Felstehausen ist umweltpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Hessischen Landtag

Die Kämpfe um den Erhalt des Dannenröder Waldes sind noch nicht lange her. Nun konstatiert Die Linke Hessen, Teile der Rodung für den Weiterbau der Autobahn 49 dort seien nicht genehmigt – und somit illegal gewesen. Worum geht es genau?

Wir gehen konkret in drei Bereichen davon aus, dass Fällungen nicht vom Planfeststellungsbeschluss gedeckt sind. Erstens wurden an der bereits gerodeten Trasse entlang rund 20 Bäume gefällt, um sie zu verbreitern. Damit ist jetzt Schluss. Auch deshalb, weil die Rodungen am 1. März grundsätzlich aus naturschutzrechtlichen Gründen bis Oktober gestoppt werden müssen. Zweitens plant die Deges, die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, ein Betonmischwerk in einem Waldgebiet zu errichten, wofür künftig weitere Bäume werden fallen müssen. Das sei zwar nicht Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens, hieß es, müsse es aber nicht sein, weil es sich nur um eine temporäre Einrichtung handele. Was wir für absurd halten. Fällt man Bäume, sind die weg – egal, wie lange das Betonwerk anschließend stehen mag. Drittens geht es um die geplante Verlegung einer Stromtrasse im Maulbacher Wald, auch diese Maßnahmen sind nicht im Beschluss enthalten.

Der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir, Bündnis 90/Die Grünen, behauptet, mit all dem nichts zu tun zu haben. Am ­2. Februar beantwortete er im Landtag Ihre Frage hierzu, »für den Bau und somit die Durchführung der Rodungen« sei seit dem 1. Januar die BRD zuständig, vertreten durch die »Autobahn-GmbH des Bundes«.

Genau das stimmt nicht. Tarek Al-Wazir war und ist für die Planfeststellung und Ausführungsüberwachung des Baus der A 49 zuständig. Das Bundesverkehrsministerium beantwortete am 2. März eine Anfrage der Linke-Bundestagsabgeordneten Sabine Leidig: Die Planfeststellung von Bundesautobahnen sei unter anderem auch in Hessen den nach Landesrecht hierfür zuständigen Behörden belassen – auch nach dem 1. Januar. Somit ist das Versteckspiel des hessischen Verkehrsministers beendet, mit dem er versuchte, sich aus der Verantwortung zu ziehen.

Brisant ist, dass er offensichtlich den Landtag und die Öffentlichkeit hierzu monatelang bewusst falsch informiert hat. Die Überwachung der Arbeiten, ob das Planungsrecht eingehalten wird, ist hoheitliche Aufgabe und kann nicht an eine GmbH übergeben werden, weder an die Deges, noch an die Autobahn-GmbH des Bundes. Nun ist Licht im Verantwortungsdickicht. Es kann nicht sein, dass solche Entscheidungen im rechtsfreien Raum geschehen.

Das Aktionsbündnis »Keine A 49!« hat jetzt einen Anwalt mit einer Anzeige und einer Dienstaufsichtsbeschwerde beauftragt, weil für die Fällungen zur Verbreiterung der Trasse keine Genehmigungen bestanden habe. Was könnte daraus folgen?

Es ist zu hoffen, dass daraus resultierend die notwendige Sensibilität einkehrt, künftig keine Bäume mehr rechtswidrig zu fällen.

Kann sich das auf den Weiterbau der A 49 auswirken?

Auf den Planungsstand wird es unmittelbar keine Auswirkungen haben. Vermutlich wird festgestellt werden, dass nicht jeder mit einer Motorsäge in den Wald rennen kann, um illegal Bäume zu fällen. Zu klären wird sein, wer wann im Verkehrsministerium darüber informiert wurde. Und weshalb wurde daraufhin nicht rechtzeitig reagiert? Es kann nicht sein, dass im Fall von Beschwerden keine zuständige Stelle erreicht werden kann, die die administrative Macht hat, rechtswidrigem Treiben ein Ende zu setzen. Tarek Al-Wazir muss Rodungen außerhalb der Planfeststellung aufklären und die Verantwortung übernehmen.

Was bedeutet das für die Umweltschutzbewegung?

Sie wird weiterhin alles tun, um den Autobahnausbau zu stoppen, und versuchen, umweltschonende Alternativen vorzuschlagen. Immerhin wird sich jetzt nicht mehr das absurde Schauspiel fortsetzen, dass niemand in der Verantwortung steht. Der Skandal ist, dass weder das hessische Verkehrsministerium, noch das Umweltministerium Veranlassung gesehen haben, für die Einhaltung des Naturschutzes einzugreifen.

Junge Welt vom 5.3.21. Das Interview  führte Gitta Düperthal

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Die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) bereitet sich auf den Wahlkampf für die Bundestagswahl am 26. September vor. Sie unterstützt die DKP, die in zwölf Bundesländern zur Wahl antritt. UZ sprach mit Andrea Hornung. Sie ist seit Ende Februar Bundesvorsitzende der SDAJ.

UZKann sich durch die nächste Bundestagswahl etwas in diesem Land verändern?

Andrea Hornung: Durch Wahlen können wir nichts Grundsätzliches für uns verbessern. Dieser Staat ist ein kapitalistischer Staat, das ändert sich nicht dadurch, dass wir alle vier Jahre ein Kreuz auf den Wahlzettel machen dürfen. Wir gehen unter der Losung „Wähle den Weg des Widerstands“ in den Wahlkampf, weil wir selbst aktiv werden müssen, um wirklich etwas zu verbessern. Wir nutzen den Wahlkampf, um an der Schule, in der Hochschule und im Betrieb deutlich zu machen: Nur, wenn wir selbst für unsere Rechte kämpfen, können wir Veränderungen durchsetzen.

UZIn der Selbstdarstellung der Politiker geht es im Moment eher um Lockdown oder Lockerungen. Ist das die Alternative, um die es geht?

Andrea Hornung: Der Umgang mit der Pandemie ist natürlich wichtig. Aber das letzte Jahr hat doch gezeigt, dass es den Regierungspolitikern in ihren Entscheidungen nicht darum geht, was dem Großteil der Bevölkerung nutzt, sondern darum, was den Interessen der großen Unternehmen entspricht. So, wie die Pandemie im Moment bekämpft wird, geht der Infektionsschutz zu Lasten der Bevölkerung. Wir müssen uns privat einschränken, gleichzeitig sollen wir weiter arbeiten gehen. Die Beschränkung der privaten Kontakte und der Bildung treffen Jugendliche ganz besonders. Wir müssen dafür kämpfen, dass die Pandemie auf eine Weise bekämpft wird, die im Interesse der Bevölkerung ist und nicht in dem der Großunternehmen.

UZIn den Umfragen stehen die Grünen gut da – gerade unter jungen Wählerinnen und Wählern. Bietet das nicht die Möglichkeit, dass sich das Land nach Merkel ein bisschen nach links bewegt?

Andrea Hornung: Wer hat den Jugoslawien-Krieg durchgesetzt? Wer hat die „Agenda 2010“ durchgesetzt? Das war eine rot-grüne Regierung. Weder die Grünen noch eine „rot-rot-grüne“ Regierung werden für die Mehrheit der Bevölkerung irgend etwas verbessern. Die Grünen verkaufen sich als grün, aber sie sind keine Partei, die wirklich für Umweltschutz eintritt, sondern stattdessen beispielsweise für eine CO2-Bepreisung, die gegen den Klimawandel nicht hilft und vor allem ärmere Menschen treffen wird. Sie tun sich durch offene Kriegshetze gegenChina und Russland hervor. Eine fortschrittliche Alternative sieht anders aus.

Aber für Jugendliche ist Ökologie natürlich ein Thema. Wir wollen zeigen, dass der Klimawandel sich nur durch gesellschaftliche Planung der Produktion verhindern lässt und nicht, indem man alles dem Markt überlässt.

UZIst es für die SDAJ in der Pandemie überhaupt möglich, Jugendliche zu erreichen?

Andrea Hornung: Die Pandemie macht vieles schwerer. In den meisten Bundesländern ist es uns untersagt, uns zu Gruppenabenden zu treffen, oft sind Aktionen verboten. Bei den Aktivitäten gegen die „Münchener Sicherheitskonferenz“ (Siko) wollte die Polizei die Proteste auf 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer beschränken. Wir erleben eine enorme Einschränkung unserer politischen Aktivitäten und der Opposition, die sich gegen die Regierung bilden kann.

Aber wir erleben auch, dass bei vielen die Wut über diese Verhältnisse gestiegen ist. In mehreren Städten haben wir Kundgebungen mit Schülern gemacht, in der vergangenen Woche haben wir uns am Aktionstag Gerechte Bildung beteiligt. Die SDAJ München hat eine Kundgebung gemacht, bei der viele Schüler spontan gesprochen und berichtet haben, wie der Leistungsdruck zunimmt, wie viele Burnouts es gibt. Einerseits vereinzelt der Lockdown die Menschen. Andererseits bieten die gesellschaftlichen Widersprüche viele Möglichkeiten, in die Diskussion zu kommen. Das merken wir auch daran, dass gerade jetzt mehr Jugendliche auf uns zukommen als vor der Krise und der Pandemie.

UZWie drückt sich das aus?

Andrea Hornung: Wir wissen, dass es für politische Organisationen gerade schwierig ist, aktiv zu bleiben. Trotzdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass das möglich ist: Wir haben im vergangenen Jahr häufiger als vorher selbst Kundgebungen organisiert, zum Beispiel am 1. und 8. Mai, wo sonst vielerorts keine Aktionen stattgefunden hätten, und zum Jahrestag der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Wir haben die Proteste der Schülerinnen und Schüler und die Streiks in der Tarifrunde „Öffentlicher Dienst“ unterstützt. Unsere Erfahrung war durchgängig, dass es großes Interesse und eine gute Beteiligung gab. Wir merken, dass mehr Leute von sich aus mit uns Kontakt aufnehmen, die offenbar auf der Suche nach einer Alternative sind und dabei auf die SDAJ stoßen.

UZIhr wollt den Wahlkampf nutzen, um stärker mit der DKP zusammenzuarbeiten. Wie kann das dazu beitragen, Jugendliche für ihre Interessen zu mobilisieren?

Andrea Hornung: Wir wollen mit Jugendlichen in Diskussionen kommen, warum es nicht reicht, sein Kreuz bei einer anderen Partei zu machen, warum es nötig ist, für eine andere, für eine sozialistische Gesellschaft zu kämpfen. Bis Mai wollen wir uns in allen SDAJ-Gruppen mit der örtlichen DKP zusammensetzen. Wir wollen dabei nicht nur über die Organisation des Wahlkampfs sprechen, sondern auf unseren Gruppenabenden mit der DKP diskutieren, mit welchen Inhalten wir im Wahlkampf nach außen treten müssen. Dabei sehen wir unsere Aufgabe vor allem darin, die Sichtweise junger Menschen und Forderungen wie ein Recht auf Ausbildung und Übernahme oder die Verringerung von Leistungsdruck stark zu machen.

Mit der Sammlung von Unterstützungsunterschriften für die DKP haben wir ebenfalls angefangen – in Frankfurt, wo ich herkomme, sogar vor der DKP. Das ist eine gute Gelegenheit, um mit unserem Umfeld zu diskutieren: Warum und wozu brauchen wir eine kommunistische Partei? Damit machen wir die DKP bekannter und zeigen auf, in welche Richtung wir unsere Kämpfe lenken müssen.

UZ vom 5. März 2021, Das Gespräch führte Olaf Matthes

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Am 1. März endet die Friedenspflicht in der Metall- und Elektoindustrie (M+E). Die letzte entgeltwirksame Lohnerhöhung bekamen die Beschäftigten im Jahr 2018. Über den Hintergrund dieser Tarifauseinandersetzung und die Erwartungen der Kolleginnen und Kollegen sprachen wir mit Axel Koppey (Vertrauensmann der IG Metall bei der Heidelberger Druckmaschinen AG im baden-württembergischen Wiesloch).

UZ: Die wirtschaftliche Situation der Betriebe in der M+E-Industrie ist ausgesprochen unterschiedlich. Wie sieht das bei euch im Betrieb aus?

Axel Koppey ist Vertrauensmann der IG Metall bei der Heidelberger Druckmaschinen AG im baden-württembergischen Wiesloch

Axel Koppey: Es ist vor allem schwierig festzustellen, was Auswirkungen der Pandemie sind und was Teil der wirtschaftlichen Krise allgemein ist, die sich ja schon seit einiger Zeit durch den gesamten Maschinenbau zieht. Da kamen die Veränderungen zum Beispiel bei den Kurzarbeitsreglungen wie gerufen, um Personalkosten zu reduzieren. Die eigentlich Betroffenen sind dadurch natürlich die Kolleginnen und Kollegen, die seit mittlerweile über zehn Monaten mit Kurzarbeit und Lohnausfall konfrontiert sind.

UZ: Welche Erwartungen haben die Kolleginnen und Kollegen bei Heidelberger Druckmaschinen an die jetzige Tarifrunde?

Axel Koppey: Da sich die allermeisten nicht sehen konnten und können, gab es keine wirkliche gemeinsame Erarbeitung von Forderungen. Die zentralen Forderungen sind dann wohl eher den Interessen der größten Betriebe der Branche geschuldet, die zumeist auch noch separate Haustarifverträge und andere Voraussetzungen haben als die meisten mittelständischen Unternehmen. Es ist aber schon recht deutlich, dass nach der absoluten Nullrunde im letzten Jahr die Forderung nach 4 Prozent mehr Lohn für viele nicht ausreichend ist, gerade nach den hohen Einbußen der letzten Monate. Die letzte entgeltwirksame Lohnerhöhung bekamen wir im Jahr 2018. Da die Kapitalvertreter bei den ersten Runden schon zum Angriff geblasen haben und unter anderem Zuschläge kürzen und Pausenregelungen ändern wollen, ist offensichtlich, dass sie die momentane Situation ausnutzen wollen, um weiter den Flächentarifvertrag zu zerlegen.

UZ: Spielt die Frage der Zukunftssicherung für euch in dieser Tarifrunde eine Rolle?

Axel Koppey: Das spielt bei uns tarifpolitisch eher keine Rolle, denn diesen Kampf führen die Heidelbergerinnnen und Heidelberger schon seit vielen Jahren. Die Arbeitsplatzvernichtung findet seit geraumer Zeit statt. Viele tausende Arbeitsplätze sind in den vergangenen Jahren vernichtet und Standorte geschlossen worden. Diese Bedrohung der Existenz jedes Einzelnen schwingt sozusagen dauerhaft über den Kolleginnen und Kollegen. Das macht die Kampfbedingungen nicht einfacher, und dementsprechend geräuschlos geht der Personalabbau kontinuierlich weiter. Positiv ist aber zu erwähnen, dass in der Frage der Azubis Erfolge errungen werden konnten. Das ist bei einem hohen Altersdurchschnitt der Belegschaft enorm wichtig, um überhaupt überleben zu können. Bei den vielen Entlassungen der letzten Jahre sind vor allem junge und jüngere Menschen betroffen gewesen und damit das Unternehmen schlicht „überaltert“. Für ein Maschinenbauunternehmen ist das auf längere Sicht äußerst ungünstig.

UZ: Wie siehst du die Forderung nach mehr Möglichkeit der Zukunftsgestaltung?

Axel Koppey: Das steht ja vor allem unter dem Schlagwort der digitalen Transformation. Diese Veränderung der Arbeitswelt ist aber meiner Meinung nach sehr unterschiedlich zu betrachten. Häufig bedeutet das ja nichts anderes, als Rationalisierungen mit der Digitalisierung zu begründen. Diese Prozesse sind nun auch nicht neu – allerdings bringen in vielen Bereichen neue technische Möglichkeiten auch enorme Veränderungen in den Arbeitsabläufen mit sich. Zukunft gestalten ist also tatsächlich eine Herausforderung, ich bin aber skeptisch, wie dies tarifvertraglich geregelt werden soll. Da immer das Profitinteresse im Vordergrund steht und die Entscheidungsgewalt den Konzernleitungen unterliegt, bleibt es wohl eher ein Traum, auf Augenhöhe gemeinsam betriebliche Zukunft zu bestimmen. Dazu sind die Interessen von abhängig Beschäftigten und Konzern- und Betriebsleitungen zu unterschiedlich.

Es geht bei dieser Forderung ja auch eher um den Erhalt von Arbeitsplätzen und Standorten – und da hat sich gezeigt, dass im Zweifelsfall durch das „Pforzheimer Abkommen“ eigene Vereinbarungen zwischen Betrieben und der IG Metall vereinbart werden können. Das ist aber immer mit Verzicht oder Einbußen für die Beschäftigten verbunden. Positive Veränderungen für die Kolleginnen und Kollegen können meiner Meinung nach nur in konkreten Kämpfen erreicht werden. Weitere Aufweichungen im Flächentarifvertrag finde ich äußerst kritisch – eher muss das „Pforzheimer Abkommen“ gekündigt werden, um die „Fläche“ wieder zu stärken. Dieses Abkommen aus dem Jahr 2004 erlaubt Unternehmen, von Tarifverträgen befristet abzuweichen, wenn sie dadurch Arbeitsplätze sichern oder neue schaffen.

UZ: Wie kann die Tarifauseinandersetzung denn vor Ort geführt werden?

Axel Koppey: Da werden die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben wohl sehr viel Kreativität entwickeln müssen. An die sehr guten Erfahrungen mit dem 24-Stunden-Streik in der letzten Tarifrunde werden wir wohl nicht anknüpfen können, daher muss überlegt werden, welche Aktionsformen sinnvoll eingesetzt werden können. Dazu braucht es aber auch den Willen, diese Auseinandersetzung auch unter den aktuellen Bedingungen zu führen.

Ab dem 1. März, dem Ende der Friedenspflicht, wird sich zeigen, wie wir den Druck auf die Straße und vor die Werkstore bekommen. An diesem Tag wird es auch eine bundesweite Funktionärskonferenz als Videoschalte geben, um über den Stand der Verhandlungen und die Möglichkeiten zum Eingreifen in den Betrieben zu informieren. Einfach wird das nicht, aber noch eine Nullnummer wie im letzten Jahr kann sich die IG Metall meiner Meinung nach in keinem Betrieb leisten. Solange Tantiemen und Dividenden gezahlt werden und parallel Lohneinbußen anstehen, ist klar, wer für die Krise bezahlen wird.

UZ vom 19. Februar 2021– Das Gespräch führte Werner Sarbok

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Bei den Kommunalwahlen in Hessen am 14. März tritt die DKP zur Wahl für den Kreistag Darmstadt-Dieburg, die Reinheimer Stadtverordnetenversammlung und zu den Ortsbeiräten in Ueberau und Reinheim an. Wie schon bei den letzten Kommunalwahlen stehen auch Nicht-Mitglieder auf der Liste mit 19 Kandidatinnen und Kandidaten. Neben in der Kommunalpolitik erfahrenen Genossinnen und Genossen treten auch neue Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl an.

Ziel ist es, die Mandate zu halten: Vier Stadtverordnete in Reinheim (das bedeutet einen Sitz im Magistrat), ein Sitz für den Ortsbeirat Reinheim und zwei Sitze für den Ortsbeirat in Ueberau. Die DKP stellte in der ablaufenden Wahlperiode in Ueberau den Ortsvorsteher. Mit einem guten Ergebnis kann allein mit den Stimmen aus der Stadt Reinheim ein DKP-Mandat für den Kreistag Darmstadt-Dieburg erreicht werden.

Wichtigstes Mittel im Wahlkampf ist nach wie vor „Unser Weg“, die Kleinzeitung der DKP. Sie wird regelmäßig herausgegeben und flächendeckend verteilt.

Die aktuelle Corona-Pandemie schränkt die Möglichkeiten des Wahlkampfes erheblich ein. Vieles verlagert sich ins „Netz“. Neben dem Internet-Auftritt (www.dkp-reinheim.de) wurden in den letzten Jahren wichtige Erfahrungen mit neuen Medien (Facebook und ähnliches) gesammelt. Zahlreiche zustimmende Rückmeldungen machen Mut und wirken sich jetzt auch im Wahlkampf positiv aus.

Nach den guten Erfahrungen mit dem Wahlprogramm bei der letzten Kommunalwahl (Von A wie Armut bis Z wie Zentrum, Medizinisches) wurden 10 Bausteine für Reinheim entwickelt. Sie konzentrieren sich auf wesentliche Schwerpunkte, ohne den Blick über den Tellerrand zu vernachlässigen.

Die Bausteine Demokratie, Kinder und Jugend, Senioren,soziale Gerechtigkeit, Verkehr, Umwelt und Klima, Wohnen und Vereine greifen aktuelle Probleme in Reinheim auf und setzen sie in einen größeren Zusammenhang. Zum Beispiel: „Wohnrecht ist Menschenrecht“, „Aktiv gegen alte und neue Nazis“, „Für die Reaktivierung der Gersprenztalbahn“ oder die Forderung nach einem Klimaschutzkonzept für Reinheim bis hin zur Verbesserung für die Reinheimer Vereine.

Sie münden in den neunten Baustein, in dem es heißt: „Das Ganze im Blick: Am Tellerrand von Reinheim hört das Denken nicht auf! Die DKP hatte noch nie einen engen Blick auf die Kommunalpolitik. Unser politischer Horizont endet nicht an der Gemarkungsgrenze. Wir schauen über den Tellerrand hinaus. So sehen wir ehrliche Kommunalpolitik. Mit den Partnerstädten gemeinsam: Gegen Rassismus, für Demokratie und Menschenrechte. Die Corona-Zeit hat vieles verändert. Deutlich wurde der Zusammenhang zwischen Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik. Im Bundeshaushalt 2021 ist für das Gesundheitswesen nur halb so viel vorgesehen wie für den Rüstungshaushalt. Ein grundlegendes Umdenken ist nötig. Die Städte und Gemeinden brauchen sichere und bessere Finanzzuweisungen.“

Der 10. Baustein beschreibt Erreichtes:“Manches wurde in der Vergangenheit erreicht. Beispielhaft genannt sind: Die Grundstückspolitik, keine Straßenbeiträge, die Eigenständigkeit der Wasserversorgung, die Windelsäcke, Nulltarif bei Kindergärten. Das gilt es zu erhalten. Da sind keine Aufweichungen vorzunehmen.“

UZ vom 12.21.

Autor: Rainer Keil

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Wir sagen allen Kolleginnen und Kollegen „Danke“, die inzwischen täglich unter höchstem Einsatz und unter hohen körperlichen Risiken die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen: In Krankenhäusern, Kindergrippen und Schulen oder an der Supermarktkasse. Und damit sind längst nicht alle Berufsgruppen aufgezählt, die unter schwierigsten Bedingungen jeden Tag für uns da sind. Trotz kaputt gesparter Gesundheits- und Sozialsysteme.

Als Kommunisten stehen wir an der Seite dieser Kolleginnen und Kollegen, wenn sie beispielsweise für eine anständige Bezahlung und anständige Arbeitsbedingungen kämpfen!

Als Kommunisten sagen wir nicht „Danke“, wenn Soldaten der Bundeswehr in den Gesundheitsämtern „unterstützen“!

Die Beschäftigten im öffentlichen Gesundheitsdienst sind längst an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen. Jahrelange Sparmaßnahmen und Stellenabbau im Öffentlichen Gesundheitsdienst fordern ihren Tribut. Die Gesundheitsämter benötigen eine dauerhafte personelle Aufstockung mit Fachpersonal und keine Zeit- und Leiharbeiter der Bundeswehr.
Die Bundeswehr hat nichts in den Gesundheitsämtern zu suchen! Weder dort, noch in Schulen, wo sie versuchen, Kanonenfutter für die imperialistischen Kriege der Bundesrepublik anzuwerben.

Millionen von Geringverdienern, Mini-Jobbern und Studenten haben in der Pandemie bereits ihre Existenzgrundlage verloren. Statt mit den staatlich alimentierten Bundeswehr-Killern in den Gesundheitsämtern Werbung für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren zu machen, muss jetzt den Menschen, die auf Grund der Pandemie ihren Job verloren haben, eine Existenzgrundlage – beispielsweise in den Gesundheitsämtern – geschaffen werden. Dazu gehören anständige Löhne und Arbeitsbedingungen.

Dass die Situation inzwischen so verfahren ist, liegt vor allem an der Maxime der Profitmacherei in unserer Gesellschaft. Vor allem die Privatisierungen auf Kosten der Allgemeinheit und der Beschäftigten haben unsere Gesundheits- und Sozialsysteme an die Wand gefahren. Damit einige Wenige ihren Reibach mit Gesundheit, Bildung und anderen Bereichen der Daseinsvorsorge machen können.

Als Kommunisten stehen wir für gesellschaftliches Eigentum, gesellschaftliche Kontrolle und gesellschaftliche Planung. Wir leben aber in einem Staat, in dem privates Eigentum, private Kontrolle und keine Planung unseren Alltag bestimmen. Mit allen Folgen, wie Massenarbeitslosigkeit, fehlenden Perspektiven und einem Gesundheitssystem, das bei einer Pandemie, wie der aktuellen, scheitern muss!

Die Bundeswehr, die weltweit die Interessen des deutschen Großkapitals verteidigt, wird daran nichts ändern. Im Gegenteil. Sie wird im Notfall gewaltsam diese unmenschlichen Verhältnisse sichern und verteidigen. Die faschistischen Netzwerke, die bereits jetzt bei Bundeswehr und Polizei existieren, werden ihren Teil dazu beitragen.

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Baumbesetzer gegen Polizei und die Grünen: Was bleibt vom Widerstand im Dannenröder Wald? Ein Gespräch mit Ronja Weil

Der Widerstand im Dannenröder Wald gegen die Rodung zugunsten eines Autobahnbaus hat bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Wie wollen Sie Klimaschutz und Kapitalismuskritik weiter hochhalten, nachdem der letzte Baum dort gefällt worden ist?

Im Dannenröder Forst ging es immer um mehr als nur den Erhalt des Waldbestandes. Auch wenn es fatal ist, dass letzterer unter Mithilfe der Polizei zerstört wurde, ist unser Kampf damit nicht am Ende. Die Frage bleibt, welche politischen Antworten wir auf die Klimakrise geben. Wir wollen die Verkehrswende – und darum den Autobahnbau verhindern. Künftige Mobilität muss nachhaltig organisiert werden.

Mit der polizeilichen Räumung der Baumhausdörfer ist ein symbolträchtiger Ort des Widerstands zerstört. Wie soll die dortige Bewegung diesen Verlust kompensieren?

Unsere Bewegung geht gestärkt aus den gemeinsamen Kämpfen im und rund um den »Danni« hervor. Utopien und Freiräume, die wir gebildet haben, fallen nicht mit den Bäumen, sondern bleiben bestehen. Diese Erfahrungen und Kenntnisse werden einfließen in die andere Klimakämpfe.

Gerade mit dem Kälteeinbruch zeigte sich, wie ungebrochen die Solidarität ist. Eltern von Aktivistinnen und Aktivisten hatten eine Geschenkaktion gestartet, es kamen viele Päckchen mit Decken, Kleidung und Verpflegung an. Neben der Mahnwache im »Danni« ist ein vielseitiges Camp entstanden, das bis März 2021 angemeldet ist; mit Platz für Zelte und Wohnwagen, um Menschen zu beherbergen. Im angrenzenden Dorf gibt es einen Sportplatz mit einer Bühne. Somit bestehen neue Strukturen für Widerstand.

Betrachten Sie es nicht als Niederlage, dass die Autobahn 49 in Mittelhessen nun doch weitergebaut wird?

Nein. Die Klimagerechtigkeitsbewegung hat viel Sympathie erfahren. »Ende Gelände« hat breite Bündnisse geschmiedet, zum Beispiel mit den Gruppen »Sand im Getriebe«, die gegen die Autoindustrie protestiert, oder »Am Boden bleiben«, die dem zunehmenden Flugverkehr den Kampf ansagt.

Müssten Sie nun nicht grundsätzlich über Eigentumsverhältnisse diskutieren, um die herrschende Profitlogik zu überwinden? Wie stehen Sie zu Instrumenten wie der Verstaatlichung von Konzernen?

So konkret debattieren wir das noch nicht. Aber ja, wir geraten durch die kapitalistische Logik in eine ökologisch ausweglose Lage. Im Wald haben wir Strukturen erprobt, die anders funktionieren, und erfahren, wie Gesellschaft anders funktionieren kann.

Im Windschatten der jüngsten Klimabewegung konnte auch die Partei Bündnis 90/Die Grünen profitieren. Wie sieht es jetzt aus Ihrer Sicht aus?

Wir finden es traurig, dass die CDU-Grünen-Landesregierung die Zerstörung des Waldes mit aller Gewalt durchgezogen hat. Die Grünen geben sich als ökologische Partei, haben aber offenbar keinen Plan, wie dies in Realität umzusetzen ist. Statt dessen lassen sie Klimaaktivistinnen und -aktivisten mit brutaler Polizeigewalt räumen. Sie sind nicht besser als andere Parteien und brechen ihre Versprechen.

Einige werten es als Zugeständnis an »Ende Gelände« und Co., dass auf dem Grünen-Bundesparteitag im November das Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel beschlossen wurde.

Lob für dieses Ziel können die Grünen nur erwarten, wenn sie begonnen haben, dies in die Praxis umzusetzen. Zur Zeit machen sie das Gegenteil: Sie zerstören die praktischen Ansätze, die es bereits gibt.

Was würde es für Sie bedeuten, wenn die Grünen 2021 Teil der Bundesregierung werden?

Wir werden sie wie jede andere Partei zur Verantwortung ziehen, die kein Interesse zeigt, die Klimakrise einzudämmen – egal, ob sie an der Regierung ist oder nicht. Wir werden weiterhin an die Orte der Naturzerstörung gehen und dieser Politik unseren Widerstand entgegensetzen.

(aus: Junge Welt, 9.12.20. Das Interview führte Gitta Düperthal)

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Leben an der Rodungskante

Trasse im Dannenröder Forst für Ausbau der A 49 beinahe freigeräumt. Umweltbewegung gibt Kampf gegen Autobahnbau nicht auf

Das grelle Licht aus den mobilen Flutlichtanlagen verwandelt den Nebel in eine undurchsichtige Wand zwischen Polizeistützpunkt und dem »Barrio«, wie sie hier das Baumhausdorf nennen. Kerzen und Grablichter wurden auf Baumstümpfen aufgestellt. Viele Teilnehmer des sonntäglichen Waldspaziergangs im Dannenröder Forst sind nach Einbruch der Dunkelheit immer noch an der Rodungskante, sitzen auf Barrikaden, singen, unterhalten sich oder schauen schweigend auf das Szenario. Figuren in schneeweißen Kostümen bewegen sich durch das gerodete Waldstück. Auf einem Banner steht: »Welcher Vertrag ist wichtiger? 1,5 Grad oder A 49? Dannenröder Wald retten!« Seit September 2019 lebten Gegnerinnen und Gegner des Ausbaus der Autobahn 49 durch das Trinkwasserschutzgebiet im mittelhessischen Dannenröder Wald in Baumhäusern. Seit dem 1. Oktober 2020 laufen polizeiliche Räumungs- und Rodungsmaßnahmen.

Im Gegenlicht zeichnet sich ein Baumstumpf ab. Auf ihm sitzt »Mensch Meier«, so nennt man ihn im Wald. »Na ja. Ich bin geräumt worden«, antwortet er gegenüber junge Welt auf die Frage, wie es ihm gehe. »Es geht mir nicht besonders. 67 Tage lang täglich Polizei, Gewalt und fallende Bäume zu sehen – das macht ganz viel mit einem«, so der 26jährige. »Ein Zuhause für viele geschützte Tierarten, ein wunderschöner gesunder Wald und eine gelebte Utopie wurden zerschlagen. Unser Ziel war, die Räumung zu erschweren, um möglichst lange ein Zeichen zu setzen und die mediale Aufmerksamkeit auf die Absurdität zu lenken, dass eine Autobahn in Zeiten der Klimakrise durch ein Trinkwasserschutzgebiet und einen gesunden Wald gebaut wird, während 80 Prozent der deutschen Wälder krank sind.«

Kati, Studentin aus Marburg, gibt sich kämpferisch: »Die A 49 ist noch längst nicht gebaut. Aufgeben ist keine Option!« Die Baumhäuser seien zwar zerstört worden, »aber nicht die Kraft, die sie schuf«, sagt die 24jährige. »Uns werden sie nicht brechen, wir werden gegen diesen irrsinnigen Autobahnbau immer wieder Nadelstiche setzen. Bis auch dem letzten Politiker klar wird, dass wir unsere Lebensgrundlagen nicht durch Profitinteressen zerstören lassen«, sagt sie und streckt die Faust zum Himmel. »Wir sind das Unkraut, das immer wiederkommt!«

Tatsächlich ist die Anmeldung von Mahnwache und Unterstützungscamp am Dannenröder Wald bereits bis März 2021 verlängert. Sonntägliche Waldspaziergänge sind weiter fest geplant. Seit Montag finden vor Ort »Skillshare-Tage« statt, um handwerkliche Fähigkeiten, juristische Grundlagen und Computerwissen zu vermitteln. Bei Kletterworkshops und politischen Diskussionsrunden können sich Interessierte auch ohne aktivistische Erfahrung beteiligen.

Seit die Planungsgesellschaft Deges die erwartbare Zunahme des Verkehrs in Homberg (Ohm) auf 227 Prozent geschätzt hat, gründen sich in angrenzenden Ortschaften neue Bürgerinitiativen. »Es wird immer nur von Verkehrsentlastung gesprochen, dass dafür andere Ortschaften belastet werden, wird schön unter den Teppich gekehrt«, so ein Homberger, der seinen Namen nicht nennen möchte. »Die Gegend wird hier gespalten, der soziale Frieden massiv gestört.«

Am Montag umstellte die Polizei nicht wie bisher üblich erst um acht Uhr das letzte verbliebene Barrio »Oben«, sondern startete bereits um sechs Uhr in der Dunkelheit einen Überraschungsangriff. Dabei wurde mindestens ein Pressevertreter verletzt, mehrere Aktivistinnen und Aktivisten überwältigt und in Gewahrsam genommen.

»Sie reagieren möglicherweise auf das bewegende Wochenende, bei dem die Rodung aufgrund vieler solidarischer Menschen vor Ort stark zurückgefahren werden musste«, sagt die 23jährige Sara, die mit einer Art Schaukel im Baum hängt. Unter den noch verbliebenen Baumhäusern hat sich auch die musikalische Aktionsgruppe »Lebenslaute« eingefunden, die seit 1986 klassische Musik und zivilen Ungehorsam verbindet. Bereits am Donnerstag hatte der Pianist Igor Levit ein Solidaritätskonzert im Dannenröder Wald gegeben (siehe jW vom 5.12.).

Am sonntäglichen Waldspaziergang, an dem Familien, Interessierte und Anwohner teilnahmen, beteiligten sich auch Luisa Neubauer von »Fridays for Future«, der Förster und Autor Peter Wohlleben sowie Antje Grothus, die als Mitglied der Initiative »Buirer für Buir« in der »Kohlekommission« saß, und die Geschäftsführer von Greenpeace und Campact, Martin Kaiser und Christoph Bautz. Am Sonnabend war die Aktionsgruppe »Ende Gelände« durch den Wald zur Rodungskante gezogen. Die Polizei hatte als Antwort auf Schneeballwürfe bei Minusgraden Wasserwerfer eingesetzt.

(aus: Junge Welt, 8.12.20, Autorin: Antonia Greco)

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Beim Aktionstag der deutschen Friedensbewegung wurden auch im Werra-Meißner-Kreis, in Eschwege, Hessisch Lichtenau, Bad Sooden-Allendorf und Wanfried Friedensaktionen durchgeführt. Ca. 70 Aktive beteiligten sich an den Aktionen – die DKP war natürlich dabei!

Die Friedensbewegung lebt und sie wird im Bundestagswahlkampf noch aktiver werden müssen, um der Aufrüstungs- und Kriegspolitik von CDU, FDP, AFD aber auch von großen Teilen der SPD und der GRÜNEN entgegenzutreten!

No AfD, 5.12. Meinhard-Schwebda

Einem Kreisparteitag der AfD in Schwebda sind am 5.12. über 200 Menschen in entschlossener und solidarischer Weise entgegengetreten. Unter dem Motto „Corona und AfD – zwei Dinge, die der Werra-Meißner-Kreis nicht braucht“ hat auch Andreas Heine (DKP-Kreissprecher und Mitglieder der Fraktion DIE LINKE im Kreistag) gesprochen. Sein Redebeitrag folgt:

Wir stehen heute vor dem Bürgerhaus in Schwebda, in dem sich zur Zeit die AfD trifft, um ihre Kandidatenliste für den Kreistag zu wählen.

In den letzten Jahren gab es in diesem Kreistag keine Rassisten, Rechtspopulisten und Faschisten. Es steht zu befürchten, dass das ab März 2021 anders sein wird.

Aus anderen Parlamenten wissen wir, wie hemmungslos von AfD-Abgeordneten rassistische, völkische und nationalistische Positionen vertreten werden. Wir wissen, wie hemmungslos gegen Minderheiten gehetzt, wie konsequent gegen rechtsstaatliche Grundsätze  agitiert und wie destruktiv die Parlamentarische Bühne genutzt wird.

Das alles steht uns wohl auch im Werra-Meißner-Kreis bevor.

Hiergegen gilt es, zusammenzuhalten. Bereits im Vorfeld der Kommunalwahl  werden demokratische Kräfte dafür kämpfen, dass der AfD möglichst wenige Wähler auf den blau – braunen Leim gehen. Und auch nach der Wahl sind wir gefordert, in die Auseinandersetzung zu gehen: Indem wir unsere einstimmigen Beschlüsse verteidigen:

–         Die Erklärung „Gelebtes Miteinander“ aus dem 2017, in der es heißt: „Wir stehen gemeinsam zu unserer Verantwortung, Menschen im Werra-Meißner-Kreis Zuflucht zu gewähren. Sie sind und bleiben uns herzlich willkommen, unabhängig von ihrer Religion, ihrem Geschlecht oder ihrer Hautfarbe. Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, dass unser Kreis ein sicherer Ort für die Menschen ist, denen das Recht auf Leben, Gesundheit, Nahrung und kulturelle Identität in ihrem Heimatland verwehrt wird“;

–         Dem Beschluss aus 2019, in dem sich der Werra-Meißner-Kreis zum „sicheren Hafen“ erklärt und sich dem Bündnis „Seebrücke“ anschließt;

–         Der Resolution zur „interkulturellen Woche“ von September diesen Jahres, in wir unter anderem  festgestellt haben:  „Wir treten entschieden dafür ein, dass menschenverachtende Ideologien nicht salonfähig werden oder Menschen in ihrer Würde herabgesetzt werden. Deshalb widersprechen wir entschlossen all denen, die versuchen die Grenzen des Sagbaren zu verschieben oder gar einzureißen.

Diese grundsätzlichen Beschlüsse werden wir im Kreistag gegen alle Angriffe von Rechts gemeinsam verteidigen, dessen bin ich mir sicher!

Ich möchte an dieser Stelle aber auch deutlich machen, dass man solchen Parteien wie der AfD nach unserer Auffassung am besten entgegen tritt, in dem man für mehr sozialen Zusammenhalt und Partizipation sorgt. Die Vermögensverteilung wird von vielen zurecht als ungerecht empfunden: Unermesslicher Reichtum (der während der Corona-Krise sogar noch kräftig gewachsen ist) auf der einen und grassierende Armut auf der anderen Seite sind bittere Realität. Unter dem Hartz-IV-Regime leiden auch bei uns im Kreis Tausende. Über 20% der Kinder in unserem Kreis sind hiervon betroffen -Jedes Fünfte!!! Und in Eschwege beispielsweise ist es sogar jedes Vierte Kind. Dazu kommen noch die Familien, die von Niedriglöhnen leben müssen und bei denen Altersarmut zu erwarten ist.. 

Die Vermögenden müssen endlich in weit größerem Umfang zur Finanzierung unseres Gemeinwesens herangezogen werden. Die Menschen  müssen auch endlich das Gefühl haben, ernst genommen und angehört zu werden. Ihnen muss mehr wirkliche Mitwirkung und Mitentscheidung möglich sein.

Solange Milliarden und aber Milliarden in die Rettung von Banken, klimaschädlichen Industrien und in zerstörerische Rüstungsprojekte  und Kriegseinsätze fließen, fehlt das Geld auf der anderen Seite für Gesundheit und Bildung für Klimaschutz und Armutsbekämpfung.

Wenn hier nicht grundlegend umgesteuert wird, bleibt der Nährboden für rechte Propaganda erhalten.

Lasst uns gemeinsam für eine bessere, gerechtere und friedlichere Welt kämpfen! Das unsere einzige Chance im Kampf gegen Rechts und für eine lebenswerte Zukunft!

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Zu den Rodungen im Dannenröder Wald und einem neuen, von der Fraktion Die Linke im Bundestag bei den Wissenschaftlichen Diensten in Auftrag gegebenen Gutachten zum Bau der Autobahn A 49 teilte Sabine Leidig, hessische Bundestagsabgeordnete und Mitglied des Verkehrsausschusses, am Freitag, den 4. Dezember mit:

Das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Die Bundesländer haben beim Bau von Bundesautobahnen „einen weiten Handlungsspielraum für die eigene Reihung ihrer Planungen“. Das bedeutet: Anders als von der hessischen Landesregierung immer wieder behauptet, hat das Land die Möglichkeit, den Bau der A 49 zu stoppen, um eine Denkpause in der derzeit angespannten Situation einzulegen. Baurecht ist keine Baupflicht. Zitat aus dem Gutachten: „Eine Verpflichtung zur Durchführung lässt sich alleine aus einem Planfeststellungsbeschluss daher nicht ableiten.“

(aus: Junge Welt vom 5.12.2020)