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8. September 2016, 6.00 Uhr

Das Werksgelände des österreichischen Leuchtenherstellers Zumtobel in Usingen ist abgesperrt. Wie die Geschäftsführung behauptet, wegen der Beschädigung von Betriebsmitteln. Und die hat dann auch gleich Anzeige gegen Unbekannt gestellt. Da sind der gemeine Kapitalist und sein Handlanger im Management nicht zimperlich. Und ein kaputtes LED-Birnchen findet sich bestimmt irgendwo in den Werkshallen. „Beschädigung von Betriebsmitteln“ kann man daraus machen. In einem Land, in dem ein falsch abgerechneter Pfandbon (Wert < 2,– €) für eine Verdachtskündigung ausreicht.

Angefangen hat das Ganze mit den üblichen Nöten eines gewöhnlichen Kapitalisten. Das usinger Werk schreibt schwarze Zahlen. Das klingt noch nicht nach Not. Aber die Zahlen könnten noch besser sein. Schließlich versprechen die „innovativen Finanzprodukte“ deutscher Banken teilweise zweistellige Renditen. Dagegen sehen die Gewinne eines Produktionsunternehmens vielleicht doch etwas blass aus. Was denkt sich da der gewitzte Kapitalist: Werk verkaufen, Erlös in Rentableres investieren.

Vielleicht hat es aber aus steuerlichen Gründen mehr Sinn gemacht, das Werk gleich ganz abzuschreiben. Die Verhandlungen mit einem Investor, der bereit war, das Werk zu übernehmen, wurden jedenfalls Ende August abgebrochen. Das bedeutet das Aus für die Arbeitsplätze und damit die Existenz der 145 Beschäftigten.

Die zuständige Gewerkschaft IG-Metall hat darauf Verhandlungen zu einem Sozialtarifvertrag eingefordert. Ziel ist, möglichst hohe Abfindungen für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen zu erreichen. Einen Arbeitskampf für den Erhalt von Werk und Arbeitsplätzen lässt das deutsche Arbeitskampfrecht nicht zu. Schließlich schützt das deutsche Grundgesetz Privateigentum und damit die Willkür der Privateigentümer. Dagegen zu streiken gilt dem deutschen Richter als Unrecht.

Die usinger Beschäftigten jedenfalls haben am 7. September mit nahezu 100% für den Streik gestimmt und das Werk ab dem Morgen des 8. September bestreikt.

Und weil dafür der gewöhnliche Kapitalist nun überhaupt kein Verständnis hat – weder in Deutschland, noch in Österreich, noch irgendwo anders – gab‘s dafür den Schlag unter die Gürtellinie. Aussperrung, Werksgelände absperren, falsche Verdächtigungen und Strafanzeige.

Die usinger Kolleginnen und Kollegen haben sich davon nicht einschüchtern lassen. Das ist gut so!

Aber sie brauchen unsere Solidarität. Mail- und Spendenadresse finden sich im Flugblatt der IG-Metall (gibt‘s hier). Die DKP-Hessen hat ihre Solidarität bereits erklärt. Und zwar nicht nur in warmen Worten, sondern auch finanziell (Schreiben gibt’s hier).

Neben der Solidarität für die Streikenden ist aber auch etwas Anderes nötig:

Die Diskussion in den Gewerkschaften über den Umgang mit Personalabbau, Betriebsschließungen und -verlagerungen, Tarifflucht, generell dem grundgesetzlich geschützten Recht des Privateigentümers auf Willkür. Das zeigen die Auseinandersetzungen bei Schlecker, Praktiker, HP in Rüsselsheim und aktuell bei Zumtobel in Usingen.

Es wird Zeit, dass sich in den Gewerkschaften wieder darauf besonnen wird, das Recht auf Privateigentum in Frage zu stellen; nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch. Im Streik.

Bernd Blümmel